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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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bevölkerten! Wie konnte man verstehen, daß dieselben Maori, deren Sitten und alte Glaubensvorstellungen er einst gepriesen hatte, nicht ohne darüber zu klagen, daß sie mehr und mehr von den westlichen verdrängt wurden, jetzt in Les Guêpes von ihrem einstigen Beschützer als Diebe angeprangert und tausend anderer Laster beschuldigt wurden? In jeder Nummer warf Les Guêpes den Richtern ihre Duldsamkeit gegenüber den Eingeborenen und ihren Diebereien in den Familien der Siedler vor und beschuldigte sie, ein Auge zuzudrücken oder so leichte Strafen zu verhängen, daß es ein Hohn war für die Gerechtigkeit. Pau’ura mußte sich jeden Tag die Klagen der Bewohner von Punaauia anhören: »Stimmt es, daß Koke uns jetzt haßt?« »Was haben wir ihm getan?« Sie wußte nicht, was sie ihnen antworten sollte.
    Diese Veränderung war auf das Geld zurückzuführen. Die katholischen Siedler hatten dich gekauft, Koke. Vorher bestand dein Leben aus Mühsal und Bedrängnis, aus angstvollen Fahrten zum Postamt von Papeete, um nachzusehen, ob deine Freunde aus Paris dir eine Überweisung geschickt hatten, aus Versuchen, dir bei der halben Welt Geld zu leihen, um dich, Pau’ura und Emile am Leben zu halten.Jetzt, dank des Geldes, das dir die Katholische Partei dafür bezahlte, daß du diese vier Seiten von Les Guêpes mit Karikaturen und Schmähungen fülltest, kanntest du keine materiellen Sorgen mehr. Du hattest dein Häuschen in Punaauia wieder mit Lebensmitteln und Branntwein versorgt und, wenn deine schlechte Gesundheit es erlaubte, diese sonntäglichen, in Orgien endenden Abendessen veranstaltet, die selbst dem ehemaligen Soldaten Pierre Levergos, der glaubte, alles gesehen zu haben, die Schamröte ins Gesicht trieben. Ja, die materielle Not und der allmähliche Verfall deines Verstandes aufgrund deiner verfluchten Krankheit und dieser verfluchten Heilmittel erklärten deine unglaubliche Veränderung seit einem Jahr. War es so, Koke? Oder war es eine andere Form, dich umzubringen, langsamer, aber wirkungsvoller als der vorige Versuch?
    Die Versammlung am 23. September 1900 war noch schlimmer, als Pierre Levergos befürchtet hatte. Er wohnte ihr lustlos bei, um Paul nicht zu enttäuschen, für den er Sympathie, vielleicht Mitleid empfand, obwohl er wußte, daß die Sache ihm Verdruß bereiten würde. Pierre, der sich rühmte, französischer zu sein als jeder andere (er hatte es bewiesen, indem er Uniform und Waffen für Frankreich getragen hatte), mißbilligte den Krieg, den der Korse Cardella und andere reiche Siedler den chinesischen Händlern Tahitis im Namen des Patriotismus und der Reinheit der Rasse erklärt hatten. Wer würde diesen Schwindel glauben? Pierre Levergos wußte wie alle auf Tahiti-nui, daß die Chinesen gehaßt wurden, weil sie das Importmonopol durchbrochen hatten. In ihren Läden wurden eingeführte Waren billiger verkauft als in den Geschäften Cardellas und anderer Siedler. Paul war der einzige, der felsenfest zu glauben schien, daß die seit zwei Generationen auf Tahiti ansässigen Chinesen eine Bedrohung für Frankreich darstellten, daß der gelbe Imperialismus dessen Position in der Pazifikregion rauben wollte – und daß der Traum jedes Gelben darin bestand, eine weiße Frau zu schänden!
    Diese und schlimmere Ungeheuerlichkeiten hörte PierreLevergos aus dem Munde Pauls bei der Versammlung im Rathaus von Papeete, an der etwa fünfzig katholische Siedler teilnahmen. Doch auch unter ihnen, die fest hinter François Cardella und seinem Kampf gegen den Gouverneur Gallet standen, gab es manche, die mit Unbehagen auf gewisse Passagen von Pauls rassistischer und chauvinistischer Rede reagierten, so als er in dramatischem Ton und heftig gestikulierend von den Chinesen der Inseln sagte: »Dieser gelbe Fleck auf der französischen Fahne läßt mich schamrot werden.«
    Nachdem die Teilnehmer an der Tribüne vorbeidefiliert waren, um den Redner zu beglückwünschen, gingen Paul und Pierre Levergos auf ein Glas in eines der kleinen Hafenlokale, bevor sie nach Punaauia zurückkehrten. Koke war sehr blaß, erschöpft. Sie bewegten sich langsam, und Paul stützte sich auf den Stock, dessen Griff jetzt nicht mehr aus einem eregierten Phallus bestand, sondern aus einer nackten Tahitianerin. Er hinkte stärker als sonst, und es schien, als würde er jeden Moment vor Erschöpfung zusammenbrechen. Als sie Las Islas erreichten, ließ er sich schwer an einem Tisch auf der von einem großen Sonnenschirm beschatteten

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