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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Althaus sagte, daß die Hälfte von ihnen durchaus kämpfen und sich töten lassen würde, doch nicht für Ideale, sondern um den Helden der französischen Romane zu gleichen; und daß die andere Hälfte, sobald die ersten Kugeln pfiffen, wie die Hasen davonrennen würden.
    Die Marketenderinnen waren etwas anderes. Diese barfüßigen Indiofrauen und Zambas mit ihren bunten Röcken und langen Zöpfen, die unter ihren malerischen Bauernhüten hervorschauten – Konkubinen, Geliebte, Ehefrauen oder Dirnen der Rekruten und Soldaten –, sorgten für das reibungslose Funktionieren des Lagers. Sie gruben Laufgräben, errichteten Schutzwälle, kochten für ihre Männer, wuschen ihre Kleidung, entlausten sie, fungierten als Botinnen und Wachposten, als Krankenschwestern und Heilerinnen und dienten der sexuellen Abfuhr der Kämpfer,wann immer es diese danach verlangte. Viele von ihnen waren schwanger und arbeiteten trotzdem wie die anderen, umringt von zerlumpten Kindern. Althaus zufolge waren sie, wenn es ans Kämpfen ging, die kriegerischsten und standen immer in der vordersten Linie; sie begleiteten und ermutigten ihre Männer, feuerten sie an und traten an ihre Stelle, wenn sie fielen. Die Heerführer schickten sie bei den Märschen voraus, damit sie die Dörfer besetzten und Nahrungsmittel und Gerät beschlagnahmten, um das Essen für die Truppe zu sichern. Diese Frauen mochten auch Huren sein, doch gab es nicht einen großen Unterschied zwischen Huren wie diesen Indiofrauen und denen, die sich mit Einbruch der Dämmerung in der Umgebung der Schiffswerft von Toulon herumtrieben?
    Als Flora am 5. August 1844 nach Nîmes aufbrach, sagte sie sich, daß ihr Aufenthalt in Toulon mehr als nützlich gewesen sei. Das Komitee der Arbeiterunion verfügte über eine achtköpfige Leitung und hundertzehn Mitglieder, darunter acht Frauen.

XIV

Der Kampf mit dem Engel
Papeete, September 1901
    Als Paul am 23. September 1900 im Rathaus von Papeete eine Versammlung der Katholischen Partei gegen »die Invasion der Chinesen« einberief, schlossen viele Personen, darunter sein Freund und Nachbar in Punaauia, der ehemalige Soldat Pierre Levergos, und sogar Pau’ura, seine Frau, daß der exzentrische, skandalumwitterte Maler endgültig verrückt geworden war. Der Chinese Teng, der Krämer von Punaauia, grüßte ihn nicht mehr und weigerte sich schon seit geraumer Zeit, ihm etwas zu verkaufen. Im übrigen gab auch Paul in seinen vernünftigen, klarsichtigen Momenten zu, daß die Krankheit und die Heilmittel seinen Geist angegriffen hatten und er oft nicht mehr imstande war, seine Handlungen zu kontrollieren, daß er instinktiv oder gefühlsmäßig entschied, wie es kleine Kinder oder vertrottelte Greise tun. Wirklich, du warst nicht mehr der gleiche wie früher, Koke. Du hattest seit Monaten, vielleicht Jahren, seitdem du Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? gemalt hattest, kein einziges Bild beendet. Wenn du nicht durch Krankheit, Alkohol oder Betäubungsmittel am Boden lagst, verwandtest du deine ganze Zeit auf dieses humoristische Pamphlet, auf das Monatsblättchen Les Guêpes , das Organ der Siedler der Katholischen Partei von François Cardella, in dem du heftige Attacken gegen den Gouverneur Gustave Gallet, gegen die von deinem ehemaligen Freund Auguste Goupil angeführten protestantischen Siedler und gegen die chinesischen Händler rittest, die du verbissen beschuldigtest, der Stoßtrupp einer »barbarischen Invasion« zu sein, »schlimmer als die Horden Attilas«, mit dem Ziel, die französische Herrschaft über Polynesien durch die »gelbe Pest« zu ersetzen.
    Was war das für ein Wahn? Weder Pierre Levergos noch seine anderen Freunde verstanden es. Wie hatte es mit Paul so weit kommen können, daß er in dieser extremen, um nicht zu sagen abscheulichen Weise den Interessen des Apothekers und Besitzers der Zuckerrohrplantage Atimaono, Monsieur Cardella, und anderer Siedler der Katholischen Partei diente, die den Gouverneur Gallet einzig deshalb haßten, weil dieser ihrem selbstherrlichen, willkürlichen Gebaren Schranken setzen und sie zwingen wollte, nach dem Gesetz und nicht wie Feudalherren zu handeln? Es war absurd und unbegreiflich, da Paul doch bis vor einigen Monaten und während all seiner Jahre auf Tahiti ein Aussätziger für diese Siedler gewesen war, die ihn einst verachtet hatten, weil er ein Bohemien war, anarchistische Meinungen vertrat und sich mit den Eingeborenen eingelassen hatte, die seine Bilder

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