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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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und die Arbeiter lauschten ihm verzückt. Doch Flora trat ihm entgegen, nannte ihn einen »Schlangenbeschwörer«, einen »Zauberkünstler«, warf ihm vor, »die Arbeiter mit seinem demagogischen Speichel zu verderben«. Statt beleidigt zu sein, folgte Hugues Bernard ihr bis zum Hotel und ermüdete sie mit Schmeicheleien: Sie sei die intelligenteste Frau, die ihm je begegnet sei, die einzige,die er hätte heiraten können. Wenn er nicht sicher wäre, abgewiesen zu werden, würde er versuchen, sie zu erobern. Flora mußte schließlich lachen. Doch angesichts seiner Avancen entschied sie sich dafür, ihn auf Distanz zu halten. Auch Escudié, der Anführer der chevaliers , versuchte hartnäckig, ihre Freundschaft zu gewinnen. Er war ein geheimnisvoller, düsterer Mann in Trauerkleidung, mit Funken von Genialität.
    »Sie wären ein guter Revolutionär, Escudié, wenn Sie mehr Liebe und weniger Gelüste hätten.«
    »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Flora«, nickte der schlanke, mephistophelisch blasse Fourierist mit ernster Miene. »Das ist das große Problem meines Lebens: die Gelüste. Das Fleisch.«
    »Vergessen Sie das Fleisch, Escudié. Für die Revolution braucht man nur den Geist, die Idee. Das Fleisch ist ein Hemmnis.«
    »Das ist leichter gesagt als getan, Flora«, erklärte er in elegischem Ton und mit einem Blick, der sie beunruhigte. »Mein Fleisch setzt sich aus allen Legionen der Hölle zusammen. Wenn Sie einen Blick in die Welt meiner Verlangen werfen könnten, würden Sie, die Sie so rein zu sein scheinen, vor Schreck tot umfallen. Haben Sie zufällig den Marquis de Sade gelesen?«
    Flora fühlte, wie ihre Beine zitterten. Sie versuchte, der Unterhaltung eine andere Richtung zu geben, denn sie fürchtete, Escudié könnte ihr, da er schon einmal dabei war, seine geheime Hölle offenbaren, die unzüchtigen Abgründe seiner Seele, in denen, nach seinen lüsternen Pupillen zu urteilen, viele Dämone hausen mußten. Doch plötzlich, in einer Regung, die selten bei ihr war, sah sie sich selbst dem makabren Fourieristen vertrauliche Geständnisse machen. Sie sei eine freie Frau und habe in ihrem einundvierzigjährigen Leben zur Genüge bewiesen, daß sie nichts und niemanden fürchte. Doch trotz ihres kurzlebigen Abenteuers mit Olympe flöße ihr die Sexualität nach wie vor ein diffuses Unbehagen ein, denn das Leben habeihr immer wieder gezeigt, daß das fleischliche Begehren Erregung und Genuß sei, aber auch ein abschüssiger Weg, auf dem der Mann rasch zum Tier werde und sich in der grausamsten und ungerechtesten Weise gegen die Frau verhalte. Sie habe das schon in jungen Jahren erfahren müssen, durch André Chazal, Schänder seiner Frau und später seiner eigenen Tochter, es jedoch vor allem mit einem Entsetzen, das nie aus ihrem Gedächtnis schwinden würde, auf ihrer Reise nach London 1839 sehen und mit den Händen greifen können. Szenen, die so beschämend waren, daß die Herausgeber ihrer Spaziergänge durch London sie zwangen, sie abzumildern, und die nach der Veröffentlichung des Buches nicht ein einziger Kritiker zu kommentieren wagte. Im Unterschied zu den allseits gelobten Fahrten einer Paria waren ihre Anklagen gegen die Gebrechen der Metropole London von den Pariser Intellektuellen feige übergangen worden. Doch was bedeutete dir das schon, Florita. War es nicht ein Zeichen dafür, daß du auf dem rechten Weg warst? »Ja, zweifellos«, ermunterte sie Escudié.
    Auf die Idee, sich als Mann zu verkleiden, hatte sie kurz nach ihrer Ankunft in London ein Freund und Owen-Anhänger gebracht, der sah, wie betrübt sie war, als sie erfuhr, daß der Zutritt zum britischen Parlament Frauen nicht gestattet war. Dabei half ihr ein türkischer Diplomat, der ihr die Verkleidung lieferte. Sie mußte einige Änderungen an den Pluderhosen und am Turban vornehmen und die Pantoffeln mit Papier ausstopfen. Obwohl sie nervös war, als sie das Portal des imponierenden Gebäudes an der Themse durchschritt, in dem das Herz des britischen Imperiums schlug, vergaß sie später, als sie den Reden der Abgeordneten zuhörte, ihre falsche Identität. Die meisten Parlamentarier berührten sie peinlich durch ihre Vulgarität und ihre ungehobelte Art, sich mit dem Hut auf dem Kopf in den Sitzen zu fläzen. Als sie jedoch Daniel O’Connell hörte, den Führer der irischen Unabhängigkeitsbewegung, der als erster katholischer Ire einen Sitz im Unterhaus errungenhatte und einen gewaltlosen Kampf gegen den englischen

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