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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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bislang im Zaum gehalten hatten. Gleich den anderen, die mit ihm in den stinkenden Sümpfen, in denen die Dämme des künftigen Kanals errichtet wurden, die Erde aushoben, ging er zu den Mulatinnen und Negerinnen, die sich um die Lager in Panama herumtrieben. Sie ließen sich nicht nur für eine bescheidene Summe besteigen, sondern auch mißhandeln, während man es mit ihnen trieb. Und wenn sie weinten und verängstigt fliehen wollten, was für eine Wonne, was für ein unmäßiger Genuß, über sie herzufallen und sie zu unterwerfen, ihnen zu zeigen, wer der Mann war. Nie hattest du die Wikingerin so geliebt, Paul, wie diese Negerinnen mit gewaltigen Brüsten, animalischem Schlund und unersättlichem Geschlecht, von dem eine sengende Glut ausging. Deshalb war deine Malerei so kraftlos und verknöchert, so konformistisch und zaghaft gewesen. Denn so war dein Geist, dein Empfindungsvermögen, deine Sexualität. Du hattest dir das Versprechen gegeben – du solltest es nicht einhalten, Paul –, während dir in den stickigheißen Nächten von Saint-Pierre eine dieser breithüftigen Negerinnen zu Willen war, die ein feuriges Kreolisch sprachen, daß du der Wikingerin bei eurem Wiedersehen eine rückwirkende Lektion erteilen würdest. Das sagtest du Charles Laval eines Abends, als ihr euch mit unverschnittenem Rum betrankt.
    »Wenn wir zum ersten Mal zusammen sind, werde ich der Wikingerin diese ganze nordische Frigidität austreiben, die sie seit der Wiege mit sich herumträgt. Ich werde ihr mit den Fäusten die Kleider vom Leibe reißen, ich werde sie beißen und küssen, daß sie sich windet und schreit, sich wälzt und wehrt, um zu überleben. Wie eine Negerin. Sie nackt und ich nackt. Im Liebeskampf wird diese verklemmte Bürgersfrau lernen, zu sündigen, zu genießen, Genuß zu schenken, heiß zu sein, unterwürfig und saftig wie ein Weib in Saint-Pierre.«
    Charles Laval schaute dich perplex an und wußte nicht, was er sagen sollte. Koke lachte laut, den Blick auf Pape moe geheftet, das erhellt wurde vom phosphoreszierenden Licht des Mondes. Nein, nein. Die Wikingerin würde niemals lieben wie eine Frau aus Martinique oder aus Tahiti, ihre Religion und ihre Kultur hinderten sie daran. Sie würde immer ein halbes Wesen sein, eine Frau, die schon mit verwelktem Geschlecht auf die Welt gekommen war.
    Der verrückte Holländer hatte das sofort verstanden. Die Bilder von Martinique verdankten sich nicht der maßlosen Farbigkeit der Tropen, sondern der Freiheit des Geistes und der Sitten, die sich ein Wilder auf Probe erobert hatte, ein Maler, der gleichzeitig lernte, zu malen und zu lieben, den Trieb zu achten, zu akzeptieren, was in ihm naturhaft und dämonisch war, und sein Verlangen zu stillen wie die Menschen im Naturzustand.
    Warst du ein Wilder, als du von jener unglückseligen Reise nach Paris zurückkehrtest, noch immer nicht ganz geheilt von der Malaria, die dein Fleisch auffraß, dein Blut vergiftete und dich um zehn Kilo abmagern ließ? Du fingst an, es zu sein, Paul. Jedenfalls führtest du dich nicht mehr wie ein zivilisierter Bürger auf. Wie konntest du auch, nachdem du in den Urwäldern Panamas unter der erbarmungslosen Sonne schwitzend den Spaten geschwungen und Mulatinnen und Negerinnen im Schlamm, auf der roten Erde und im schmutzigen Sand der Karibik geliebt hattest? Noch dazu trugst du die unaussprechliche Krankheit in dir, Paul. Ein Schandmal, das dich aber auch als Mann auswies, der sich keine Zügel auferlegte. Du wußtest nicht und solltest lange Zeit nicht wissen, daß du verpestet warst. Doch du hattest dich längst befreit von Zimperlichkeiten, falschen Rücksichten, Tabus, Konventionen und warst stolz auf deine Triebe und Leidenschaften. Wie hättest du es sonst gewagt, dich an der Brust der zarten Ehefrau des guten Schuff, deines besten Freundes, zu vergreifen, der dich bei sich wohnen ließ, dir zu essen gab und dir sogar ein paar Francs für einen Absinth in den Cafés zusteckte?Madame Schuffenecker wurde blaß, rot, flüchtete mit einem gestammelten Protest. Doch ihre Scham und ihre Beschämung waren so groß, daß sie nie wagte, dem guten Schuff von den Dreistigkeiten des Freundes zu erzählen, den er so großzügig unterstützte. Oder tat sie es doch? Dich Madame Schuffenecker zärtlich zu nähern, wenn sie durch die Umstände alleine waren, wurde zu einem gefährlichen Spiel. Dir bereitete es lustvolle Augenblicke und trieb dich zur Staffelei, nicht wahr, Koke?
    Eine kleine Wolke

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