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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Geliebten und Ehefrauen und Taoa –, das herrliche Wetter auszunutzen und einen Ausflug nach Concarneau zu machen, einem alten Fischerhafen zwölf Kilometer von Pont-Aven entfernt, in dem noch die alten Mauern und Steinhäuser des mittelalterlichen Stadtkerns erhalten waren. Seit sie die Seepromenade betreten hatten, die ihren Ausgang im Hafen nahm, hatte Paul die Vorahnung, daß etwas Unangenehmes geschehen würde. Die Wirtshäuser waren voller Fischer und Seeleute, die in der prächtigen Sonne auf den Terrassen saßen und ihre mit Cidre und Bier gefüllten Krüge sinken ließen, um mit ungläubigen Augen diese wunderliche Truppe vorbeiziehen zu sehen, die aus langhaarigen, grellbunt gekleideten Männern und auffälligen Frauen bestand, darunter eine Negerin, die sich wie eine Zirkusartistin in den Hüften wiegte, einen kreischenden Affen an einem Seil führte und ihnen die Zähne zeigte. Es kam zu verblüfften und feindseligen Ausrufen und drohenden Gebärden. »Haut ab, ihr Possenreißer!« Im Unterschied zu den Bewohnern von Pont-Aven waren die Leute in Concarneau nicht an Künstler gewöhnt. Und schon gar nicht daran, daß eine kleine Negerin ihnen Grimassen schnitt.
    Als sie die Hälfte der Seepromenade hinter sich hatten, wurden sie von einer Schar Kinder umringt. Die betrachteten sie neugierig, einige lächelten, andere sagten etwas in ihrem knorzigen Bretonisch zu ihnen, das nicht sehr freundlich klang. Plötzlich fingen sie an, sie mit kleinenSteinen und Kieseln zu bewerfen, die sie in den Taschen trugen. Sie zielten vor allem auf Annah und ihr Äffchen, das sich erschrocken an die Röcke seiner Herrin drängte. Paul sah, daß Armand Seguin sich von der Gruppe löste, loslief, einen der steinewerfenden Jungen zu fassen bekam und ihn am Ohr zog.
    Daraufhin überstürzte sich alles in schwindelerregender Weise, wie Paul sich später erinnern sollte. Mehrere Fischer des nächstgelegenen Wirtshauses standen auf und rannten auf sie zu. In wenigen Sekunden flog Armand Seguin durch die Luft, gezerrt und gestoßen von einem Riesen mit Holzschuhen und Matrosenmütze, der brüllte: »Meinen Sohn schlag nur ich.« Wieder auf den Füßen, wich Armand stolpernd zurück, noch ein Stück und noch ein Stück und fiel ins schäumende Meer, das gegen die Kaimauer brandete. Paul reagierte mit jugendlichem Elan und versetzte dem Angreifer einen Fausthieb, woraufhin dieser brüllend, mit beiden Händen das Gesicht bedeckend, zusammensackte. Das war das letzte, was Paul sah, denn Sekunden später fiel ein wilder Haufe von Männern in Holzschuhen über ihn her, die ihn aus allen Richtungen am ganzen Körper mit Schlägen und Fußtritten traktierten. Er wehrte sich, so gut er konnte, aber er stolperte und hatte das sichere Gefühl, daß sein rechter Knöchel, zerquetscht und zerschunden, auseinanderbrach. Der Schmerz ließ ihn ohnmächtig werden. Als er die Augen öffnete, klangen Frauenschreie in seinen Ohren. Zu seinen Füßen kniete ein Krankenwärter und zeigte ihm an seinem nackten Bein – man hatte ihm die Hose aufgeschnitten, um es zu untersuchen – einen zwischen blutigem Fleisch herausstehenden, zersplitterten Knochen. »Man hat Ihnen das Schienbein gebrochen, Monsieur. Sie werden lange Ruhe halten müssen.«
    Schwindel, Schmerzen, Erbrechen – er erinnerte sich wie an einen Alptraum an die Rückfahrt nach Pont-Aven in einer Pferdekutsche, die ihn bei jedem Schlagloch oder Schlingern aufschreien ließ. Um ihn einzuschläfern, reichtensie ihm schlückchenweise einen bitteren Branntwein, der ihn im Hals kratzte.
    Er hielt zwei Monate Bettruhe in einem kleinen, niedrigen Zimmer mit winzigen Fenstern in der zur Krankenstation umfunktionierten Pension Gloanec. Der Arzt entmutigte ihn: Es sei undenkbar, daß er mit dem gebrochenen Schienbein nach Paris zurückkehren oder auch nur aufstehen könne. Nur durch absolute Ruhe könne der Knochen wieder seinen Platz finden und zusammenwachsen; in jedem Fall werde er hinken und müsse fortan einen Stock benutzen. Diese acht Wochen reglos in einem Bett würden dir für den Rest deines Lebens durch die Schmerzen im Gedächtnis bleiben, Paul. Besser gesagt, durch einen einzigen, blinden, heftigen, animalischen Schmerz, der dich in Schweiß badete oder frösteln, schluchzen und wie ein Rasender fluchen ließ, mit dem Gefühl, den Verstand zu verlieren. Beruhigungs- und Schmerzmittel nützten nichts. Nur der Alkohol, den du in diesen Monaten fast pausenlos trankst, betäubte dich und

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