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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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einer aus Arsen hergestellten Salbe eingerieben hatte, die das Brennen milderte. Die Liebe mit ihr war jetzt ein fernes Echo der Feste, die ihre Körper in seiner Erinnerung gefeiert hatten. Teha’amana entzog sich, suchte nach Ausflüchten, und wenn ihr nichts anderes übrigblieb, sah – ahnte – Paul,wie sie sich mit unwillig verzogenem Gesicht zum Schein hingab, ohne in ihrem Abscheu die geringste Lust zu empfinden. Sosehr er sie auch mit Geschenken überhäufte und ihr schwor, dieses Ekzem sei eine vorübergehende Infektion, die bald verheilen werde, das Unvermeidliche geschah: Eines Morgens ging Teha’amana mit ihrem geschulterten Bündel fort, ohne sich zu verabschieden. Einige Zeit später erfuhr Paul, daß sie wieder mit ihrem Mann Ma’ari in Mataiea lebte. »Was für ein Glückspilz.« Sie war eine außergewöhnliche Frau, und es würde nicht leicht sein, Ersatz für sie zu finden, Koke.
    Es war nicht leicht. Zwar besuchten ihn bisweilen kleine freche Mädchen aus der Nachbarschaft – nach dem Katechismusunterricht in der protestantischen und der katholischen Kirche von Punaauia, die beide gleich weit entfernt von seiner Hütte lagen –, um ihn malen oder schnitzen zu sehen, amüsiert über diesen halbnackten Riesen inmitten seiner Pinsel, Farbtuben, Leinwände und ungestalten Hölzer, und es gelang ihm auch, die eine oder andere in sein Schlafzimmer zu schleppen und ganz oder halb zu besitzen, doch keine von ihnen war bereit, seinen Vorschlag anzunehmen und seine vahine zu sein. Das Hin und Her der Mädchen brachte ihn überdies in Konflikt, zuerst mit dem katholischen Geistlichen, Pater Damian, und dann mit dem Pastor, Ehrwürden Riquelme. Beide kamen, jeder für sich, um ihm sein zügelloses, unmoralisches Verhalten vorzuwerfen, mit dem er die Eingeborenenmädchen verderbe. Beide warnten ihn: Er könne sich Probleme mit der Justiz einhandeln. Dem Pastor und dem Pfarrer sagte er, ihm sei nichts lieber als eine ständige Gefährtin, denn mit diesen Schmetterlingsspielen verliere er nur seine Zeit. Er sei eben ein Mann mit Bedürfnissen. Ohne Liebe keine Inspiration. So einfach, meine Herren.
    Erst sechs Monate nach dem Fortgang Teha’amanas bekam er eine neue vahine : Pau’ura. Sie war, wie konnte es anders sein, vierzehn Jahre alt, lebte in der Nähe des Dorfes und sang im katholischen Chor. Nach den abendlichenProben kam sie zwei- oder dreimal in Kokes Hütte. Sie betrachtete lange, mit ersticktem Kichern, die pornographischen Postkarten, die an einer Wand des Ateliers aufgereiht waren. Paul machte ihr Geschenke und begab sich nach Papeete, um ihr einen Pareo zu kaufen. Schließlich willigte Pau’ura ein, seine vahine zu sein, und zog in die Hütte. Sie war weder so schön noch so wach, noch so feurig im Bett wie Teha’amana und anders als diese nicht den häuslichen Arbeiten zugetan, denn statt zu putzen und zu kochen, lief sie hinaus, um mit den Mädchen des Dorfes zu spielen. Doch die weibliche Präsenz in der Hütte, vor allem in den Nächten, tat ihm gut, minderte die Angst, die ihn am Schlafen hinderte. Pau’uras gemessene Atemzüge zu hören, im Halbdunkel die Umrisse ihres vom Schlaf besiegten Körpers zu sehen beruhigte ihn, gab ihm eine gewisse Sicherheit zurück.
    Was quälte dich so? Was hielt dich in diesem Zustand ständiger Nervosität? Daß das Erbe Onkel Zizis und die mageren Francs der Versteigerung im Hôtel Drouot zu Ende gingen, war nicht der Grund. Du hattest dich daran gewöhnt, ohne Geld zu leben, das raubte dir nie den Schlaf. Es lag auch nicht an der unaussprechlichen Krankheit. Denn jetzt, nachdem sie ihn so lange gemartert hatten, schlossen sich die Wunden einmal mehr. Der Schmerz im Knöchel war im Augenblick erträglich. Was war es also?
    Es war der Gedanke an seinen Vater, den politisch Verfolgten, dem mitten auf dem Atlantik, als er von Frankreich nach Peru floh, das Herz brach, und die Erinnerung an das Porträt von Aline Gauguin . Wo war es? Weder Daniel de Monfreid noch der gute Schuff besaßen es; sie hatten es nicht einmal gesehen. Dann versteckte es also Mette in Kopenhagen. Doch in dem einzigen Brief, den er von ihr erhielt, seit er nach Tahiti zurückgekehrt war, sagte sie kein Wort über dieses Porträt, obwohl er sie in zwei Briefen um Auskunft über seinen Verbleib gebeten hatte. Er tat es ein drittes Mal. Wann würdest du die Antwort erhalten, Paul? Mindestens sechs Monate Warten. Der Pessimismus besiegteihn: du würdest es niemals wiedersehen. Das

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