Das Paradies ist woanders! (German Edition)
Schmerzen sind ziemlich stark, auch wenn er weiß, dass der Arzt ihm sicher bereits ein Mittel gegeben hat.
„Du bleibst erst einmal hier, erholst dich ein wenig. Dann sehen wir weiter.“
Joshua muss jetzt unbedingt noch eine Frage stellen, eine, die er Carlos nicht stellen konnte.
„Doc, wie viele Menschen hat man gestern Nacht ermordet? Die Soldaten haben es mir nicht verraten. Ich weiß natürlich von den beiden Morden, die ich mit ansehen musste.
Aber ich weiß nichts von dem, was in den Häusern passiert ist. Und auch nicht, wieso das eigentlich geschehen ist.“
Der Arzt sieht ihn jetzt nachdenklich an. Er seufzt einmal leise.
„Ja, ich weiß, dass man dir nichts darüber gesagt hat. Carlos und Rico wollten dich damit nicht auch noch quälen. Sie meinten, dass es auch ohne diese Informationen bereits ziemlich viel für dich war, dass dich die ganze Sache sehr mitnimmt.
Aber ich denke, dass du es vielleicht wissen solltest ... , auch wenn es dein Gewissen belasten wird.“
Er macht an diese Stelle eine längere Pause, geht herüber zu einem kleinen Tisch, holt eine Tageszeitung vom heutigen Tag, Sonderausgabe. Wortlos reicht er sie zu Joshua herüber, deutet auf die Titelzeile.
Joshua wird blass. Er liest den ganzen Artikel, bevor er wieder aufsieht.
„Vierzehn Menschen! Davon zwei kleine Kinder ... Das habe ich nicht gewollt, Doktor. Wenn ich ...“
Der Arzt unterbricht ihn mit einer knappen Handbewegung.
„Du hättest gar nichts dagegen tun können, mein Junge, gar nichts. Und wenn du ihnen nicht gehorcht hättest, dann wärst du jetzt genauso tot, wie die anderen. Genauso tot, mein Junge!
Das hier ist ein Krieg, ein schmutziger, blutiger Krieg. Und die Opfer waren in diesem Fall Angehörige der Gegenseite, Mitglieder eines anderen Kartells, welche mit deinen Freunden im Streit liegen.“
Joshua schüttelt kurz den Kopf, er kann das so nicht stehen lassen.
„Aber einer von ihnen war Carlos Sohn, Doc! Er war nur zufällig dort, ein Ferienjob. Wieso mussten sie ihn ebenfalls töten? Man hätte ihn doch auch irgendwo einsperren können, fesseln ... , was weiß ich ... Er war nur der Pizzabote, zur falschen Zeit am falschen Ort!“
„Ach Junge, auch du wirst das noch lernen ... , man lässt keine Zeugen zurück. Es ist ein schmutziger Krieg, José, so wie jeder andere Krieg auch ... Irgendwann verliert man sein Mitgefühl. Das hier ist die Realität, unsere wirkliche Welt, nicht das Paradies, mein Junge ...“
Drei Tage später
„Ich sehe, man kann sich auf dich verlassen, Chico! Ich hatte Recht, als ich dir vertraut habe. Du hast uns nicht an die Soldaten verraten. Das haben sie dich spüren lassen, wie ich sehe. Aber irgendwann zeigen wir es diesen Hurensöhnen, das verspreche ich dir. Irgendwann haben wir genügend Waffen und Männer, dann werde sie sich noch umsehen!“
Joshua wagt es nicht, dem Mann, der sich ihm gegenüber an den Tisch gesetzt hat, ins Gesicht zu sehen. Er bemüht sich, gleichmütig zu erscheinen, auch wenn sein Herz in diesem Augenblick rast. Etwas lustlos stochert er in seinem Mittagessen herum. Tortillas und Bohnen, langsam kann er es nicht mehr sehen. Seit Wochen immer das gleiche, eintönige Essen. Billig, gerade gut genug für die Gefangenen.
„Weißt du, Chico, ich denke ernsthaft darüber nach, ob du auch weiterhin nützlich für uns sein könntest.
Du bist nicht auf den Kopf gefallen, tust das, was man dir aufträgt, ohne groß zu fragen, bist verschwiegen ... Ich denke, du wirst weiter mit uns zusammenarbeiten, oder was sagst du dazu?“
Joshua schluckt einmal schwer. Die Situation, in der er sich befindet, ist geradezu absurd. Ich sitze einem Massenmörder gegenüber. Im Gefängnis, unter den Augen des Gesetzes, und höre diesem zu, wie er neue Pläne schmiedet, neue Verbrechen plant. Und ich weiß ganz genau, dass keiner dies verhindern kann. Keiner? Nun, wenn man einmal von mir selbst absieht, vielleicht. Mit ganz viel Glück, und natürlich, mit der Hilfe meiner Freunde. Aber es ist ein lebensgefährliches Spiel, auf das ich mich da einlasse. Nein, ... auf das ich mich bereits eingelassen habe!
So bleibt ihm in diesem Augenblick auch nichts anderes übrig, als dem Mann bestätigend zuzunicken. Sagen könnte er ohnehin nichts, seine Stimme versagt ihm den Dienst ...
„Du bist richtig, Chico! Nicht zu viele Worte, oder? Na dann, bis bald. Wir geben dir Bescheid! Ach ja ... , das hier ist für dich ...“
Als er dies sagt, schiebt ihm der
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