Das Paradies liegt in Afrika
Erde stürzte â und dann, eine Maus im Schnabel, in den Schatten eines Rosenbusches lief.
Erst als die Sonne langsam unterging, fuhren sie hinaus zur Farm der Familie van Houwen. Weithin sichtbar dehnten sich die Felder aus, auf denen zu dieser Stunde noch gearbeitet wurde. Es wurde Mais angebaut, verschiedene Gemüse- und Salatsorten. Aber auch kleinwüchsige Obstbäume fanden sich. In langen, exakt gezogenen Reihen wuchsen Aprikosen- und Apfelbäume, Mangobäume und Bananenstauden.
David Bernhard lenkte die Kutsche auf den halbrunden Platz vor dem Farmhaus. Es war ein langgestrecktes, zweigeschossiges Gebäude, das bis zum ersten Stockwerk weià getüncht war. Das zweite Stockwerk war aus Holz, das Dach zog sich weit über die Seitenwand. Karoline bemerkte entzückt die vielen Töpfe und Tontröge neben dem Eingang. Sie waren mit bunt blühenden Blumen und Rabatten bepflanzt und lieÃen vergessen, dass der hellgelbe Verputz des Hauses an einigen Stellen abblätterte und die alte Holztür dringend hätte ausgebessert werden müssen.
Die Kutsche war gerade zum Halten gekommen, als Pieter van Houwen aus der Tür trat, gefolgt von einer schlanken Frau mit glänzendem schwarzen Haar. Sie trug ein hellblaues, einfach geschnittenes Leinenkleid, dessen einziger Schmuck eine breite Baumwollspitze am Hals war. Ein breiter Ledergürtel, lässig um die Taille geschlungen, betonte ihre zierliche Figur.
»Herzlich willkommen!« Lächelnd streckte Pieter die Hand aus und half Karoline aus der Kutsche. Dann wandte er sich um und zog seine Frau näher. »Das ist Rebecca, meine Frau.«
»Ich freue mich, dass Sie uns besuchen kommen.« Rebecca van Houwen sprach Englisch mit deutlichem Akzent. Noch bevor Karoline überlegen konnte, woher sie wohl kommen mochte, erklärte Pieter: »Rebeccas Familie stammt aus Prag.«
»Wir sind erst seit zehn Jahren in Afrika. Und ich habe mit dem Afrikaans immer noch meine Schwierigkeiten. Englisch geht viel besser«, fügte sie wie entschuldigend hinzu.
»Prag ⦠das soll eine wunderschöne Stadt sein!«
»Das ist es.« Rebeccas Augen verschatteten sich für einen Moment. »Es ist die schönste Stadt der Welt. Nur ⦠für uns Juden wurde es immer enger dort. Und so hat mein Vater nach dem Tod meiner Mutter beschlossen, nach Südafrika auszuwandern. Er hat immer von einer Farm geträumt.« Sie wandte sich ab.
»Er ist vor einem Jahr gestorben«, erklärte Pieter leise. »Das Klima hat ihm zugesetzt.«
»Das tut mir leid.«
»Wir wollen nicht davon reden.« Rebecca hatte sich wieder gefangen. »Bitte kommen Sie ins Haus. Ich habe zwei Zimmer für Sie vorbereitet.«
»Wir möchten keine Mühe machen. Wir können auch in der Stadt in einem Hotel übernachten«, sagte Karoline.
»Das kommt gar nicht in Frage!« Pieter half David, die zwei Reisetaschen aus der Kutsche zu heben. Dann führte er die Gäste ins Haus, das schlicht, aber geschmackvoll möbliert war.
Auch das Essen, das Rebecca mit Hilfe eines indischen Hausmädchens servierte, war einfach, aber höchst schmackhaft.
Karoline fühlte sich sehr wohl im Kreis dieser Menschen, die ihr, aber auch David mit groÃer Herzlichkeit entgegenkamen. Rebecca, die in ihrer Jugend selbst erlebt hatte, was es heiÃt, ausgegrenzt zu werden von der Gesellschaft, gab sich David gegenüber aufgeschlossen und ohne jedes Vorurteil.
Es ging schon auf Mitternacht zu, als sie sich zu Bett begaben. Lächelnd registrierte Karoline, dass ihre Zimmer eine Verbindungstür besaÃen. Der Raum, den sie bewohnen sollte, war mit weià lackierten Möbeln eingerichtet: Zwei schmale Schränke boten Platz für die Garderobe, vor dem Fenster stand eine kleine, ebenfalls weià lackierte Frisierkommode.
Ãber dem breiten Bett lag eine geblümte Decke, die Karoline rasch zurückschlug, bevor sie sich rücklings in die Kissen fallen lieÃ.
»Endlich allein und ungestört!«
David stand im Türrahmen. Zur dunkelbraunen Hose trug er ein weiÃes Hemd, darüber eine hellbraune Lederweste. Obwohl er im vorletzten Jahr vierzig Jahre alt geworden war, besaà er eine schlanke Figur mit schmalen Hüften und breitem, muskulösem Oberkörper. Im Dämmerlicht wirkte seine Haut dunkler, als sie war; hell schimmerten seine Zähne, als er Karoline lächelnd
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