Das Paradies liegt in Afrika
dem Heiligen Abend waren die Verstorbenen auf dem Friedhof von Hopeland zur letzten Ruhe geleitet worden. Es war eine Beisetzung im engsten Familienkreis gewesen.
»Ich ertrage keine fremden Menschen um mich«, hatte Karoline gesagt. »Nicht an dem Tag, an dem ich von meiner Hannah Abschied nehmen muss.«
»Aber die Geschäftspartner von Frederic ⦠die Freunde, die ihr in Kapstadt habt â sollen diese Menschen sich nicht von Hannah verabschieden können?«, fragte David, der ebenso erschüttert war wie Karoline.
Victor trat zu dem Sessel, in dem Karoline saÃ. Zum ersten Mal kam seine Mutter ihm alt vor. Das Haar schien allen Glanz verloren zu haben. Scharfe Linien zogen sich von der Nase zu den Mundwinkeln. Die Augen, die sonst so lebhaft in die Welt schauten, waren verweint. Müde wirkte Karoline, müde und ohne jeden Elan.
»Wir bestatten die beiden hier in aller Stille«, sagte Victor. »Und ein paar Wochen später werden wir in Kapstadt eine Trauerfeier abhalten, an der alle anderen, denen die beiden etwas bedeutet haben, teilnehmen können. Was denkt ihr darüber?«
»Ja, das ist ein guter Gedanke.« Karoline sah mit starrem Blick wieder hinaus in den Garten. Die Rosen blühten in verschwenderischer Fülle, der Duft des Jasmins drang bis ins Zimmer. Ein paar Perlhühner, die aus ihrem Gehege ausgebrochen waren, pickten Käfer und Würmer aus der Rasenfläche. Sie hasteten ängstlich davon, als sich ein Bokmakiri neben einem Jasminbusch niederlieÃ. Kurze Zeit später gesellte sich das Weibchen zu seinem Gefährten. Die beiden Vögel mit ihren gelben Bäuchen begannen gleich ein Pfeifkonzert.
»Diese Vögel hat Hannah besonders gern gemocht«, murmelte Karoline. Sie lächelte dabei. Es war ein sanftes, stilles Lächeln, das David ins Herz schnitt.
»Ich gehe noch mal in den Weinkeller«, sagte er. »Die Fässer müssen kontrolliert werden.«
Karoline antwortete nicht. Sie, die Starke, die Frau, die seit Jahren die Geschicke Hopelands lenkte, schien jeden Lebensmutes beraubt. David fühlte sich hilflos, er wusste nicht, was er tun sollte, um die geliebte Frau zu trösten. Das Einzige, was er tun konnte, war, ihr für eine Weile die Verantwortung für das Gut abzunehmen.
Im Gewölbekeller, dort, wo zwei Dutzend groÃe Weinfässer und unzählige kleine Fässer lagerten, war es angenehm kühl. David prüfte die Bestände an leeren Fässern â es waren viel zu viele. Die Reblausplage des vergangenen Jahres hatte dazu geführt, dass auf Hopeland nur ein Drittel der normalen Menge gekeltert werden konnte. Seufzend ging er zu einem kleinen Fass mit Rotwein. Er kostete von dem noch jungen, hellroten Saft, der aber schon ein gutes Bouquet entfaltete. Dann setzte er sich an den kleinen alten Holztisch, an dem Karoline und er so oft gesessen und Wein verkostet hatten. Aufseufzend legte der Mann den Kopf in die Hände.
»Herr im Himmel, wie viel willst du ihr denn noch aufbürden?«, murmelte er. »Noch mehr Schicksalsschläge kann Karoline nicht ertragen.«
Meine geliebte Charlotte! Hinter uns liegt das traurigste Weihnachtsfest, das wir je auf unserem Gut gefeiert haben. Natürlich haben wir wieder eine wunderschöne Tanne aufgestellt, es gab Geschenke für alle, wir haben sogar »Stille Nacht, heilige Nacht« gesungen. Glaub mir, mein Kind, ich hätte mich am liebsten in mein Zimmer zurückgezogen und allein um Hannah und Frederic getrauert. Doch die Pflicht gegenüber unseren Leuten hat mich bewogen, auch in diesem Jahr das Weihnachtsfest zu begehen. Es galt schlieÃlich, die Ankunft unseres Herrn Jesus zu feiern. Sicherlich ahnst Du, wie schwer mir diese Stunden geworden sind.
Als Deine Nachricht kam, dass Du in gesegneten Umständen bist, habe ich mich zum ersten Mal seit Wochen wieder freuen können. Wie gern hätte ich Dich jetzt in meiner Nähe. Doch ich sehe ein, dass Du Deinen Mann bei seiner Mission in Frankreich unterstützen musst. Ich freue mich für euch, dass er im diplomatischen Dienst so erfolgreich ist. GenieÃe Paris, ich habe so viel über diese wunderschöne Stadt an der Seine gelesen! Den Louvre wirst Du Dir gewiss anschauen. Wie beneide ich Dich darum, dass Du die berühmte Mona Lisa bestaunen und die Bilder von Dürer und Rembrandt ansehen kannst! Du musst mir unbedingt aus Paris schreiben!
Sei umarmt
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