Das Paradies liegt in Afrika
Pferdestalles, eine brennende Fackel in der Hand. Langsam, wie im Zeitlupentempo, glitt der junge Bursche zur Erde. Seine gebrochenen Augen waren wie anklagend zum Himmel gerichtet, wo kleine weiÃe Wolken einen schönen Tag verkündeten.
»Feuer! Um Himmels willen â es brennt!« Karoline wies auf den hinteren Stallbereich, aus dem rotgoldene Flammen züngelten.
»Die Pferde müssen raus!« David rannte zur Tür und versuchte, die Stalltür, die mit einem breiten Riegel gesichert war, zu öffnen. Voller Panik traten die Pferde gegen ihre Boxen, rannten dann, als sie befreit waren, in wildem Galopp hinaus in die Weinberge.
In das Stampfen ihrer Hufe mischte sich das aufgeregte Geschrei einer Paviangruppe, die auf einem nahen Hügel im Schutz einer WeiÃdornhecke saÃ. Aufgeregt kratzten sie sich, die beiden ältesten Tiere fletschten drohend die Zähne, als die Pferde näher kamen. Wild fauchend stellte sich der Anführer der Horde auf, der Schwanz war drohend aufgerichtet.
Die Pferde allerdings kümmerten sich nicht um die Herde Affen, sie galoppierten weiter und blieben erst zögernd stehen, als sie einen der Bewässerungsgräben erreicht hatten.
»Hilfe! Kommt alle her, Summerset brennt!« Karolines Stimme klang hohl vor Verzweiflung.
Aus allen Häusern kamen die Leute, ein Bursche half David, im Stall nachzusehen, ob noch Tiere festgebunden waren. Zwei junge Frauen kümmerten sich um die beiden Verletzten, während aus dem Obstgarten erneut Schüsse ertönten. Beherzte Arbeiter versuchten, die Fremden, die sich auf das Gut geschlichen hatten, zu stellen. Wütende Rufe auf Xhosa wurden auf Englisch beantwortet, lautes, schmerzvolles Schreien bewies, dass einige der Männer verletzt waren.
»Mister David, kommen Sie schnell!« Einer der Arbeiter winkte David aufgeregt zu. Er wies zum Gutshaus. Aus dem ersten Stockwerk drangen Rauchschwaden. »Es brennt!« Der Mann, ein Khoikhoi, der schon seit vielen Jahren mit seiner Familie auf Summerset lebte, rannte ins Haus. »Diese verdammten Kerle haben Feuer gelegt! So ein Unglück. So ein Unglück!«
»Sei vorsichtig, Zinedine!«, rief Karoline, doch er hörte sie nicht, laut schimpfend lief er ins Haus.
David kam zu ihr, legte ihr schützend den Arm um die Schultern. »Es waren marodierende Schwarze, wahrscheinlich junge Xhosa«, sagte er. »Sie haben sicher gedacht, Summerset wäre der Besitz von Buren.« Er seufzte auf. »Der Hass der beiden Völker aufeinander wird noch in einer Katastrophe enden! Immer öfter kommt es zu Konflikten. Und Paul Kruger schürt diesen Hass noch.«
»Cecil Rhodes ist nicht besser«, warf Karoline leise ein. »Aber das soll uns doch nicht kümmern. Wir machen nichts als guten Wein. Wir sind doch völlig neutral!« Tränen rannen über ihre Wangen. »Ich sympathisiere weder mit den Engländern, den Buren noch den Schwarzen â wenn ich auch die Menschen, die hier geboren wurden und nach und nach von ihrem Land vertrieben wurden, gut verstehen kann. Immer mehr Farmen entstehen, die Xhosa haben schon vor dreiÃig Jahren die Hälfte ihres Landes an die weiÃen Eindringlinge verloren.«
David nickte. »Ja, ja, das stimmt. Aber es ist kein Grund, als Brandstifter durchs Land zu ziehen und wahllos fremdes Eigentum anzugreifen.« Er lieà Karoline los und hastete zu den Männern, die verzweifelt versuchten, die Flammen zu löschen. Der Stall war verloren, das trockene Holz der Wände, das innen lagernde Stroh waren in Windeseile ein Raub der Flammen geworden.
Jetzt galt es, das Gutsgebäude zu schützen und ein Ausbreiten des Feuers zu verhindern. Immer mehr Leute kamen herbei, bildeten eine Kette hin zum Haus. Wassereimer wurden von Mann zu Mann gereicht, auch einige Frauen gliederten sich ein.
Wie erstarrt stand Karoline im Hof und sah zum ersten Stock hinauf, wo jetzt auch schon aus dem vierten Fenster die Flammen loderten. Krachend brach der kleine Balkon, den sie vor ihrem Schlafraum hatte anbringen lassen, in sich zusammen.
»Nein! Nein!« Wie von Sinnen stürzte Karoline ins Haus. Keiner der Warnrufe, die erklangen, drang in ihr Bewusstsein. Beim Zusammenbrechen des Balkons war Karoline klargeworden, dass im Nebenzimmer der wertvolle Gainsborough hing, ihr Lieblingsbild.
Ich muss es retten, schoss es ihr durch den Kopf. So vieles hat man mir schon genommen im Leben
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