Das Paradies liegt in Afrika
sagte sie nach einer Weile.
»Er hat versucht, hinüber zur Duchesse zu kommen, das weià ich von einem Hafenarbeiter, der dem Unglück entkommen ist.« Er zuckte mit den Schultern. »Es steht zu befürchten, dass er ertrunken ist.«
»Nein!« Immer und immer wieder hatte Karoline das gesagt, und erst als der Tuchhändler wieder auf sein Pferd stieg, war sie in der Lage, zu ihm zu gehen.
Sie legte die Hand an den Hals des Pferdes. »Bitte, steigen Sie wieder ab und nehmen Sie eine Stärkung zu sich. Auch das Tier sollte ein wenig ausruhen.«
Timothy Bennett schüttelte den Kopf. »Danke, Missis Ruhland, aber ich muss zurück. Es gibt so viel zu tun nach dem Sturm ⦠ich wollte Ihnen nur persönlich sagen, was geschehen ist.«
»Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.«
Sie schaffte es, Haltung zu bewahren. Sie weinte auch nicht. Nicht an diesem Tag und nicht an den folgenden. Es wurde immer klarer, dass Christopher tatsächlich tot war. Und doch â ihr fehlten lange Zeit die Tränen.
Jetzt, da sie auf dem Hügel stand und über ihr Land schaute, konnte sie um ihn weinen. Aber dann, als ein Sonnenstrahl ihre Wange streichelte und sie glaubte, dies sei ein Gruà des Toten, straffte sie sich und drehte sich nach Hannah und Frederic um.
»Bald müssen wir mit der Weinlese beginnen. Am Osthang werden die ersten Trauben schon reif. Was meint ihr, müssen wir wohl noch mehr Arbeitskräfte einstellen?«
Frederic zuckte mit den Schultern. »Ich weià es nicht, ehrlich gesagt. Wie habt ihr es denn in den letzten Jahren gehalten?«
»Christopher hat immer ein gutes Dutzend Wanderarbeiter eingestellt. Manchmal auch noch mehr.« Karoline biss sich auf die Lippen. Ein Blutstropfen erschien, sie merkte es nicht. So wie sie kaum noch etwas empfand, seit ihr Mann fort war.
Die schreckliche Sturmnacht, in der achtzehn Schiffe in der Table Bay gesunken waren, hatte ihr Leben auf grausame Weise verändert. Ihr Mann war in der aufgewühlten See ertrunken. Der Hurrikan, der auf See die Boote zerstört, an Land Häuser niedergerissen und riesige Bäume gefällt hatte, als seien es kleine Schwefelhölzchen, hatte ihr den Gefährten geraubt.
Doch nicht nur Christopher hatte versucht, seine Schiffsladung zu retten, viele Männer hatten in dieser schrecklichen Nacht ihr Leben gelassen bei dem Versuch, wertvolle Ladung zu löschen und heil an Land zu bringen. Die meisten von ihnen waren nach Tagen tot geborgen worden, doch Christopher Ruhland und ein Dutzend andere blieben verschollen.
Lange hatte Karoline gehofft, ihren Mann doch noch lebend wiederzufinden. »Er ist vielleicht irgendwo angespült worden. Verletzt, ohne Erinnerung an uns und das Geschehene.« Immer wieder hatte sie dieses Argument vorgebracht, wenn Sophie bat, doch wenigstens einen Gedenkstein für Christopher auf dem Friedhof aufzustellen. Immer wieder hatte Karoline diesen endgültigen Schritt hinausgezögert. Wenn es keinen Grabstein gab, war Christopher noch nicht offiziell tot; dann blieb ihr im tiefsten Winkel ihres Herzens noch Hoffnung.
Inzwischen musste sie einsehen, dass alles Hoffen vergeblich war. Fast zehn Monate waren ins Land gegangen â und von Christopher gab es kein Lebenszeichen. In einer ergreifenden Trauerfeier war schlieÃlich ein rotbrauner Marmorstein mit seinem Namen auf dem Friedhof von Hopeland aufgestellt worden.
Sophie, die bisher alle Schicksalsschläge so tapfer erduldet hatte, drohte diesmal zu zerbrechen. Wochenlang lag sie mit einem Nervenfieber zu Bett, und nur die beiden Kinder konnten ihr hin und wieder ein kleines Lächeln entlocken, wenn sie zu ihr ins Bett kamen und darum baten, dass die Granny ihnen eine Geschichte erzählte.
Hannah und Frederic, die im Winter hatten heiraten wollen, verschoben die Hochzeit bis zum Ende des Trauerjahres. Wie konnten sie ihr Glück genieÃen, wenn die Menschen, die ihnen am nächsten standen, vor Kummer und Gram vergehen wollten?
In diesen Wochen wurde Mathew Browling der jungen Gutsherrin eine starke Stütze. Er kümmerte sich um die Kinder, lenkte sie ab und tat alles, damit sie den Verlust des Vaters verwinden konnten. Dies war allerdings nicht schwer, denn seit dem Tod von Baby Emily hatte Christopher sich kaum mit seinen beiden groÃen Kindern befasst, immer wieder hatte er sie abgewiesen, wenn sie zu ihm gekommen waren und sich zärtlich an ihn
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