Das Paradies
die beste Partie im Dorf seit vielen Jahren!«
Sarah holte tief Luft und stellte den Wasserkrug auf den Boden. Ihre Mutter hatte also mit Abdus Eltern gesprochen! Sie waren mit der Heirat einverstanden!
»Gelobt sei Gott, Sarah! Scheich Hamid hat um deine Hand angehalten«, sagte die Mutter, »du bist wirklich ein glückliches Kind!«
Sarah fiel der seidene Schal aus der Hand.
3 . Kapitel
Nefissa sah durch das Fenster. Der Nil funkelte und leuchtete im Sonnenlicht. Es war ein selten schöner Tag, und sie freute sich am Leben, denn es gab nichts Aufregenderes, als verliebt zu sein!
Sie konnte ihrer Erregung kaum Herr werden. Als in der Nacht zuvor der gutaussehende Offizier unter der Straßenlaterne stand und sich eine Zigarette anzündete, während er sie mit hochgezogenen Augenbrauen anblickte, schien er ihr eine stumme Frage zu stellen. Nefissa hatte einen kühnen Entschluß gefaßt: Heute würde sie nicht nur verschleiert am Fenster sitzen …
Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, daß sie sich beeilen mußte. Er war Tag für Tag genau um ein Uhr mittags erschienen. Jetzt war es bereits zwölf Uhr vorbei und das Mittagsgebet vorüber. Nefissa saß am Toilettentisch, auf dem teure Parfüms und Kosmetika standen, und hätte in ihrer Vorfreude am liebsten getanzt. Endlich hatte sie etwas über ihren Offizier erfahren.
Gestern Nachmittag war sie mit ihrer Freundin, Prinzessin Faiza, einkaufen gewesen. Nachdem sie in Kairos führenden Geschäften – Cicurel und Madame Badias – ein paar besonders hübsche Sachen entdeckt hatten, fuhren sie zum Tee mit Faizas üblichem Gefolge und den Leibwächtern zu Groppis. Da Faiza die Schwester des Königs war, mußten alle anderen Gäste den Salon verlassen, damit die königliche Gesellschaft ungestört plaudern und Tee trinken konnte. Während sie sich bei Gebäck und Eis amüsierten, sah Nefissa zufällig auf der Straße zwei britische Offiziere vorbeigehen. Sie trugen die gleiche Uniform wie ihr Offizier. Ganz nebenbei fragte sie in die Runde: »Was sind das für Soldaten?« und erfuhr auf diese Weise seinen Rang. Viel war es nicht, sie kannte noch nicht einmal seinen Namen, aber etwas mehr als am Tag zuvor wußte sie doch.
Er war Leutnant. Er war ein Leutnant soundso, und seine Soldaten mußten ihn mit »Sir« anreden.
Nefissa hatte sich den ganzen Vormittag über hübsch gemacht, wie das die meisten Frauen ihrer Klasse taten, die viele Stunden damit zubrachten, ihr Aussehen zu vervollkommnen. Nefissa hatte alle Körperhaare entfernt, an den Armen und den Beinen, sogar die Augenbrauen und die Schamhaare. Sie wählte mit großem Bedacht das richtige Parfüm und nahm sich eine ganze Stunde nur für ihre Augen, denn viel mehr sah ihr Leutnant nicht von ihr. Schließlich musterte sie ihre zahllosen Kleider. Nefissa besaß ganze Schränke voll der elegantesten Kreationen führender europäischer Couturiers. Einige stammten auch von Nefissas Schneiderinnen in Kairo, die sehr geschickt darin waren, Entwürfe aus Modezeitschriften zu kopieren. Seit dem Tod ihres Mannes hatte Nefissa nicht mehr eine ganz so große Auswahl, denn sie mußte sich auf Schwarz beschränken. Wenn sie doch nur in ihrem veilchenblauen Satinkleid am Fenster sitzen könnte oder in dem flammendroten Seidenkleid. Der Leutnant hatte sie immer nur in Schwarz gesehen.
Nefissa entschied sich gegen ihr Lieblingskleid, das die Taille extrem betonte, denn nach Tahias Geburt hatte sie noch nicht wieder ihre alte Figur zurückgewonnen. Plötzlich hörte sie ein Gurgeln und Keuchen im Rücken. Am Fuß ihres Bettes stand eine Zwillingswiege mit den schlafenden Babys, die Nefissa vor kurzem gestillt hatte. Die sechs Wochen alte Tahia schlief ruhig und fest, aber die kleine Jasmina strampelte hektisch im Schlaf. Nefissa nahm sie auf den Arm und wiegte die Kleine. Hoffentlich litt das Kind nicht unter Alpträumen nach der traumatischen Geburt, bei der Fatheja gestorben war. Das arme mutterlose Kind, dachte Nefissa, und im Grunde hat Jasmina auch keinen Vater. In seiner Trauer verbrachte Ibrahim nur wenige Stunden zu Hause. Er hatte gesagt, es sei ihm noch zu schmerzlich, sein Töchterchen in den Armen zu halten. Er wollte sie noch nicht einmal sehen. Deshalb überschütteten Nefissa und die anderen Frauen die kleine Jasmina mit der ganzen Liebe und Fürsorge, die sie brauchte, um ein gesundes und kräftiges Kind zu werden.
Als sich das Baby beruhigt hatte, legte Nefissa es wieder in sein Bettchen und zog sich
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