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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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kein Zeichen von Leben. Nur die Stille der Wüste und das einsame Pfeifen des Windes drangen an ihre Ohren.
    Die drei stiegen aus, und der alte Fellache führte Amira und Connor durch die Stadt der Toten – enge Gassen, wie es sie in jedem Dorf gab, vorbei an Türen und Fenstern und unter bröckelnden Steinbögen hindurch. Die »Häuser« hatten alle Kuppeln, und auf Amira wirkten sie wie eine Reihe großer Bienenkörbe aus Lehmziegeln, auf denen eine dicke Staub- und Sandschicht lag.
    Als sie das Grab der Familie Tajeb erreichten, wies der alte Hadji mit der knochigen Hand weiter nach Westen. »Der alte Tempel ist dort drüben, Sajjid, an der alten Karawanenstraße. Ich komme mit dem Korb für den Einsiedler nach.«
    Die beiden ließen ihn zurück, damit er seine Gebete verrichten konnte, und gingen über die felsige Ebene. Amira sagte: »Die Frauen im Dorf haben mir erzählt, daß die Säulen des Tempels Heilkräfte besitzen. Die Dorfbewohner gehen manchmal dorthin und schlagen Steinsplitter ab, um Medizin daraus zu machen.«
    Es war wenig von dem Tempel zu sehen, in dem Wüstenreisende vor Tausenden von Jahren eine Göttin verehrt hatten. Es standen nur noch zwei Säulen, die übrigen lagen geborsten und verwittert auf der Erde. Wo der Wind den Sand weggeweht hatte, sah man ein paar alte Pflastersteine. Mehr war nicht von der alten Kultstätte übriggeblieben. Den Hintergrund bildete eine halbrunde Felswand mit Öffnungen. Zum Teil befanden sie sich in halber Höhe und waren vom Boden aus unerreichbar. Die zerklüfteten Felsen lagen wie das Skelett eines Ungeheuers aus der Vorzeit in der flachen Ebene. Vor vielen Jahrtausenden waren sie aus dem Wüstenboden emporgeschoben worden. Jetzt trennten sie wie eine schützende Mauer das Niltal vom Sand der Wüste.
    »Hier verlief einmal eine große Karawanenstraße«, sagte Declan, während sie sich einen Weg durch das Gestein suchten. Es herrschte tiefe Stille. Die alten Säulen glühten in der sinkenden Sonne rostrot auf. »Ich vermute, die Reisenden haben hier Rast gemacht und um eine sichere Reise gebetet. In den Höhlen dort drüben haben sie wohl Schutz gefunden.«
    »Wie dieser Einsiedler offenbar noch heute«, sagte Amira und stieß mit der Schuhspitze gegen die rußgeschwärzten Steine einer Feuerstelle.
    »Die frommen Männer der Wüste fühlen sich von den alten Kultstätten angezogen. Die meisten sind Mystiker, Sufis oder christliche Einsiedler.«
    Amira entdeckte einen aus Stein gehauenen Widder. Der Kopf war vom Rumpf abgetrennt. Sie setzte sich auf die glatte Bruchstelle und sagte: »Warum werden hier keine Ausgrabungen durchgeführt? Warum haben die Archäologen den Platz nicht eingezäunt?«
    Connor blickte über die kahle Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte. In der Ferne entdeckte er ein paar schwarze Beduinenzelte.
    »Wahrscheinlich fehlt es an finanziellen Mitteln«, erwiderte er. »Es scheint ein kleines, unbedeutendes Heiligtum zu sein. Wahrscheinlich lohnt sich die Mühe nicht. Vielleicht waren im vergangenen Jahrhundert einmal Ägyptologen hier, als die europäischen Archäologen Ägypten ausplünderten. Hadji Tajeb hat gesagt, er und Abu Hosni hätten die Reiseführer auf den Nilschiffen überredet, mit Touristen hierher zu kommen. Aber die Leute waren nach dem langen Weg enttäuscht. Jetzt bringen sie keine Touristen mehr, und die Schiffe fahren vorbei.«
    Amira sah Connor an. Er stand wie eine dunkle Silhouette vor dem lavendelfarbenen Himmel. Der Wind fuhr durch seine Haare. Sie waren immer noch altmodisch geschnitten, aber nicht mehr so kurz wie früher. An den Schläfen zeigte sich das erste Grau.
    »Declan«, sagte sie, »weshalb wollen Sie nach England?«
    Er drehte sich um und ging ein paar Schritte weiter. Seine Schuhe knirschten auf dem Geröll über dem Pflaster, das vor langer Zeit gelegt worden war. »Ich muß gehen. Es ist lebenswichtig für mich.«
    »Aber Sie werden hier dringend gebraucht. Bitte, hören Sie auf mich. Bei meiner Ankunft in den Flüchtlingslagern in Gaza war ich so entsetzt über die Zustände und die Art, wie man die Palästinenser behandelt, daß ich glaubte, es keinen Tag aushalten zu können. Dann kam ich in das Krankenhaus der Treverton-Stiftung. Als ich sah, was dort an Gutem getan wurde, und wieviel Hilfe …«
    »Amira«, sagte Declan. Er lehnte sich an eine der beiden Säulen und lächelte bitter. »Ich weiß alles über die Lager. Ich weiß alles über die Bedingungen, unter denen Menschen fast

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