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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verheiratet sein, die Arme! Du weißt ja, Frances hat sich das Leben genommen.«
    Amira hatte es nicht gewußt, und die Nachricht traf sie wie ein Keulenschlag. Ihre Mutter hatte nie darüber gesprochen, wie Großmutter Westfall gestorben war, daß sie, wie Tante Penelope sagte, »eines Tages den Kopf in den Gasofen gehalten und den Gashahn aufgedreht hatte«. Das neue Wissen brachte Amira dazu, sich mit Dingen zu beschäftigen, über die sie noch nie nachgedacht hatte: Onkel Edward hatte sich angeblich versehentlich beim Reinigen seiner Pistole erschossen, und Alice, ihre Mutter, war bei »einem Autounfall« ums Leben gekommen. Waren diese Geschichten wahr oder hatte man die Wahrheit vertuscht? Lag ein Neigung zu Depression und Selbstmord tatsächlich in der Familie?
    Amira hatte zwar nie daran gedacht, Selbstmord zu begehen, aber in den ersten Monaten nach dem Abschied von der Heimat durchlebte sie eine Phase tiefster Depressivität, die sie erschreckte. Als sie beschlossen hatte, nach Ägypten zurückzukehren und mit Dr. Connor zusammenzuarbeiten, war sie auf den Zorn, das Leid und die Gefühle gefaßt, die sich in ihr stauten, seit Ibrahim sie für tot erklärt hatte, aber zu ihrer Überraschung blieb das alles aus. Statt dessen erlebte sie eine wunderbare Wiedergeburt. Und damit kehrte auch das Glück in ihr Leben zurück, die Freude, die sie vor langer Zeit gekannt hatte. Alles Lebendige schien mit den schlechten Erinnerungen begraben und unterdrückt gewesen zu sein. Wieder Arabisch sprechen, das ihr so selbstverständlich über die Zunge ging, die Gerichte der Kindheit essen, das unverkennbare, spöttische Lachen der Ägypter hören, die weder sich noch das Leben allzu ernst nahmen, am Nil sitzen und das Spiel der Farben zwischen Sonnenaufgang und Mondaufgang beobachten, die fruchtbare Erde unter den Händen und die heiße Sonne auf den Schultern spüren und wieder in den uralten Rhythmus des Niltals eingebunden sein – all das hatte Amira körperlich und geistig aus der innerlichen Erstarrung und der schleichenden Verzweiflung befreit. Welch größeres Glück konnte es geben?
    Amira hatte in den vergangenen Wochen mit großer Betroffenheit erkannt, daß im Gegensatz zu ihr in Declan Connor etwas gestorben zu sein schien.
    »Haben Sie Blut im Urin, Umma?« fragte Amira respektvoll die ältere, ganz in Schwarz gekleidete und verschleierte Frau. »Haben Sie Schmerzen im Unterleib?«
    Als die Fellachenfrau auf beide Fragen nickte, sagte Amira: »Sie haben die Blutkrankheit. Sie kommt von stehendem Wasser.«
    Sie hätte der Frau sofort ein Mittel injiziert, aber sie hatten in den letzten Tagen so beunruhigend viele Fälle von Bilharziose behandeln müssen, daß ihre Vorräte aufgebraucht waren. »Sie werden den Bezirksarzt aufsuchen müssen, Umma«, fuhr sie fort und schrieb ein Rezept aus. »Die Medizin wird die Krankheit aus Ihrem Blut vertreiben. Aber Sie dürfen nicht mehr durch stehendes Wasser gehen, sonst werden Sie sich wieder anstecken.«
    Die Frau betrachtete das Rezept einen Augenblick und ging schweigend davon. Amira vermutete, daß der Arztbesuch unterbleiben und das Papier in Tee gekocht und als Zaubertrank getrunken werden würde.
    »Beim Herzen der gesegneten Ajescha, Sajjida!« sagte Um Tewfik, nahm das Baby von der Brust und knöpfte das Kleid zu. »Können Sie mir etwas geben, um Kinder zu machen? Meine Schwester ist seit drei Monaten verheiratet, und bis jetzt gibt es noch kein Anzeichen dafür, daß sie ein Baby bekommt. Sie hat Angst. Wenn sie nicht schwanger wird, ist ihr Mann enttäuscht und wird sich eine andere Frau suchen.«
    Die Umstehenden nickten teilnahmsvoll. Wenn eine Frau Glück hatte, wurde sie im ersten Monat schwanger. Wenn nicht, war das ein schlechtes Zeichen für die ganze Familie.
    »Ihre Schwester wird sich von einem Arzt untersuchen lassen müssen«, sagte Amira, »damit er den Grund für ihre Schwierigkeiten findet.«
    Um Tewfik schüttelte den Kopf. »Meine Schwester kennt den Grund. Sie hat mir gesagt, daß sie drei Tage nach der Hochzeit über ein Feld gegangen ist, und dabei sind zwei Raben vor ihr hergeflogen. Die Raben haben sich auf einen abgestorbenen Baum gesetzt und sie angestarrt. Meine Schwester sagt, sie hat genau gespürt, wie in diesem Augenblick ein Dschinn in sie gefahren ist. Ganz bestimmt ist das der Grund für ihre Unfruchtbarkeit, Sajjida.«
    Nach einem Blick auf das bekümmerte Gesicht der Frau sagte Amira zu Um Tewfik: »Ihre Schwester hat

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