Das Paradies
Schuld.«
»Wie?«
»Sie sagt, sie hat Frieden gefunden, und sie möchte, daß du ebenfalls Frieden findest.«
Connor zog seine Hand zurück und starrte ihn an.
Zacharias sagte zu Amira: »Laß mich nun zu Gott gehen. Meine Stunde ist gekommen.« Er hob die Hand und berührte ihr blondes Haar. »Gott hat dich nach Hause zurückgebracht, Mischmisch. Die Zeit deines ziellosen Wanderns durch fremde Länder ist zu Ende.« Er lächelte. »Sag Tahia, daß ich sie liebe … und im Paradies auf sie warte …«
Er schloß die Augen und hörte auf zu atmen.
Amira hielt ihn in den Armen, wiegte den leblosen Körper und murmelte: »Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist SEIN Prophet.«
Sie saß lange in der Stille der Wüste. Die Schatten der Nacht fielen über das Heiligtum. In der Ferne heulte ein einsamer Schakal, und Hadji Tajeb betete stumm. Schließlich sprach Declan. »Wir müssen ihn begraben, Amy.«
Hadji Tajeb sagte: »Das Dorf wird ihm ein Grab errichten, denn er war ein Heiliger.«
Amira meinte: »Meine Mutter hat mir vor langer Zeit geschrieben, Zacharias habe im Sechs-Tage-Krieg auf dem Sinai ein mystisches Erlebnis gehabt. Er ist auf dem Schlachtfeld gestorben. Er war klinisch tot, kehrte jedoch wieder ins Leben zurück. Danach war er ein anderer Mensch. Er behauptete, er sei im Paradies gewesen. Er wurde sehr fromm, und Umma sagte, er sei ein Auserwählter Gottes. Später machte er sich auf die Suche nach Sarah, unserer Köchin. Warum, weiß ich nicht, aber offenbar hat er sie hier gefunden.«
»Amy«, sagte Declan, »es ist schon beinahe dunkel. Wir müssen die Öffnung mit Steinen verschließen, um die Tiere fernzuhalten. Gehen Sie zum Wagen, ich werde das schon allein schaffen.«
Aber Amira und Hadji Tajeb halfen ihm, Steine und Felsbrocken zusammenzutragen. Als der Höhleneingang verschlossen war, stand der Mond am Himmel. Hadji Tajeb fuhr sich erschöpft mit dem Ärmel über das Gesicht und sagte: »Gepriesen sei Gott, Sajjida. Ihr Bruder wird in zwei Himmeln wohnen, denn dieser Ort ist ebenfalls den alten Göttern geweiht.«
Amira begann zu weinen, und Declan nahm sie in die Arme. Er hielt sie lange Zeit fest an sich gedrückt.
26 . Kapitel
Als Khadija aus dem Wagen stieg, verstummte die ganze Sippe.
Die Raschids waren gerade mit einem Wagenkonvoi angekommen und mischten sich fröhlich und lärmend unter die Menge am Pier. Sie atmeten die frische Seeluft und genossen die Sonne an diesem Ferientag in vollen Zügen. Kairo lag im Griff des Chamsîn unter einer Wolke aus heißem Sand und Staub. Aber hier in Suez, wo die Familie Khadija verabschiedete, die zur Pilgerfahrt nach Mekka aufbrach, leuchtete die Sonne hell am klaren blauen Himmel. Das Wasser des Golfs war von einem so tiefen Türkis, daß die Augen schmerzten, wenn man zu lange darauf blickte.
Doch im Augenblick richtete sich die Aufmerksamkeit aller auf Khadija, die in ihrem Pilgergewand aus dem Cadillac in den strahlenden Sonnenschein stieg. Sie war eine Vision in blendendem Weiß, und die Familie verstummte ehrfurchtsvoll.
Niemand konnte sich erinnern, sie je anders als in Schwarz gesehen zu haben. Das fließende weiße Gewand und der zarte Schleier – beides hatte viele, viele Jahre hoffnungsvoll in der Schublade gelegen – bewirkten eine seltsame Verwandlung. Khadija wirkte jung und jungfräulich, als hätte das Weiß die Jahre weggewischt und Alter und Gebrechen verschwinden lassen. Ihre Schritte schienen leicht zu sein, ihr Rücken frei von Schmerzen und Steifheit, als trage sie ein Zaubergewand, das ihr die Jugend zurückgab.
Aber nicht das traditionelle Pilgergewand hatte Khadija verwandelt. Es war die Gewißheit, daß sie endlich in das heilige Mekka reiste. Sie hatte die letzten Wochen im Gebet und Fasten verbracht, um
Ihram,
den Zustand der Reinheit, zu erreichen. Sie hatte keinen Schmuck mehr getragen, sich nicht mehr geschminkt, alle Symbole ihres irdischen Lebens abgelegt, jeden weltlichen Gedanken verbannt und sich nur auf Gott konzentriert. Jetzt war sie bereit für die heilige Stadt Mekka, den Geburtsort des Propheten, den wie in den vergangenen vierzehnhundert Jahren nur Gläubige betreten durften.
Ibrahim begleitete seine Mutter auf dem Weg zur Anlegestelle der Fähren, mit denen die Pilger über das Rote Meer an die Westküste Arabiens fahren würden. Die anderen Raschids folgten ihnen im Gewimmel der Passagiere und ihrer Familien.
Alle waren
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