Das Paradies
sich hier und ziehen mit uns nach Medina. Umma sagt: »Dein Vater wird sich sehr freuen, uns wiederzusehen. Auch der Prinz wartet auf dich. Denn bei unserer Ankunft soll die Hochzeit sein …«
Mein Vater, ein Fürst des größten arabischen Stammes, lebt in einem Palast. Ich wurde bei meiner Geburt mit Prinz Abdullah verlobt, der eines Tages einmal Führer unseres Stammes sein wird.
»Allah!« rief sie zu den Sternen hinauf und sank überwältigt auf die Knie.
Als Mohammed zur Bühne rannte, packte ihn sein Vater am Arm und blickte ihm in die Augen. Mohammed riß sich los und verschwand in den Kulissen.
Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Knall, und ein Feuerball hüllte alles ein.
Khadija blickte voll Staunen auf das eckige Minarett im Mondlicht. Die Vergangenheit lag so klar und deutlich vor ihr wie die Gegenwart – sie sah den Innenhof und den Springbrunnen in Medina, sie wußte die Namen ihrer Brüder und Schwestern. Ihr Verlobter stand vor ihr und verneigte sich. Sie stand auf und reichte ihm die Hand.
Plötzlich durchzuckte sie ein stechender Schmerz. Ein blendendes Licht hüllte sie ein …
Amira erwachte. Sie lauschte auf die Stille, die sie umgab. Sie spürte, daß etwas geschehen war – etwas Schreckliches! Deshalb stand sie auf, zog den Bademantel an und ging hinaus in die Nacht.
Als sie Declans Haus erreichte, stellte sie fest, daß die Tür offenstand. Er war nicht da. Seine Sachen waren weg, und die Stelle, wo der Geländewagen geparkt hatte, war leer. Dahinter floß der dunkle stille Nil.
Epilog Al Tafla
Über den Hügeln im Osten graute der Morgen und erhellte eine uralte, zeitlose Szene: Frauen gingen mit Wasserkrügen auf dem Kopf zum Fluß, Kinder trieben Kühe und Büffel auf die üppigen Weiden, und Männer in Galabijas waren mit Hacken über den Schultern unterwegs zu den Feldern.
Der frühmorgendliche Dunst verlieh allem eine unwirkliche Zartheit. In der Luft hing der scharfe Geruch von Rauch und der Duft von Essen. Das Niltal erwachte allmählich zum Leben. Ein Schwarm strahlendweißer Reiher landete auf der Suche nach Nahrung im Schilf.
Khadija war der Schleier auf die Schultern gerutscht und hatte dünne weiße Haare auf dem schön geformten Kopf enthüllt, der so zart und vollkommen wirkte, als sei er aus Porzellan.
»O Umma«, sagte Amira und ging zu ihr.
Sie kniete vor ihrer Großmutter nieder, und Khadija nahm sie in die Arme.
»Es tut mir so leid, Umma. Es könnte so vieles anders sein, wenn …« Amiras Herz war schwer. »Ich habe mich so einsam gefühlt. Ich wollte zu euch zurück, aber ich wußte nicht, wie ich es anfangen sollte.«
Khadija sagte: »Vor Jahren träumte ich immer wieder von einem Kind, das man seiner Mutter weggenommen hatte. Diese Träume beunruhigten mich lange Zeit, denn ich dachte, sie kündigten etwas an, das in der Zukunft lag. Schließlich wurde mir klar, daß ich im Traum ein Ereignis erlebte, das bereits lange zuvor stattgefunden hatte. Ich bin als junges Mädchen aus den Armen meiner Mutter gerissen worden. Aber an dem Abend, als dein Vater dich verbannte, dachte ich: Das ist es, was die Träume vorhergesagt haben, denn damals wurdest du mir genommen.«
Khadija blickte auf Amiras tränenüberströmtes Gesicht und fragte: »Warum bist du wieder nach Amerika gegangen, nachdem du in Ägypten warst?«
Amira stand auf und ging zu ihrem Sessel zurück. »Nachdem Declan abgefahren war, wurde ich krank. Ich hatte einen schweren Malaria-Anfall. Man schickte mich nach London, und dort erholte ich mich langsam. Aber da ich immer wieder Rückfälle bekam, stellte mich die Stiftung frei, bis ich wieder völlig hergestellt sein würde. Deshalb bin ich für einige Zeit zu Rachel nach Kalifornien gefahren.«
»Und danach bist du wieder nach Ägypten gekommen?«
»Ja, aber erst vor ein paar Monaten.«
»Bist du wieder ganz gesund, Amira?«
»Ja, Umma. Ich hatte mich mit einem neuen, resistenten Malaria-Erreger infiziert. Inzwischen gibt es wirksamere Medikamente, und es geht mir wieder besser.«
Khadija sah sie prüfend an. »Und Dr. Connor? Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihm von London an die Adresse des Pharmazie-Unternehmens geschrieben. Aber man antwortete mir, er habe die Stellung dort nicht angetreten. Auch die Treverton-Stiftung wußte nichts über ihn. Und er hat bis heute keine Verbindung mit mir aufgenommen.«
»Liebst du ihn immer noch?«
»Ja.«
»Dann mußt du ihn suchen.«
Das wußte Amira
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