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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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es nie überwinden, ein impotenter Mann zu sein. Und so einigten sie sich auf einen Plan.
    Marijam besuchte insgeheim Mussa, bis sie schwanger war. Als das Kind geboren wurde, glaubte Suleiman, es sei sein Sohn. Zwei Jahre später ging sie wieder zu Mussa, und die Tochter, die sie danach gebar, war Suleimans Ebenbild. Fünf Kinder wurden auf diese Weise im Haus in der Paradies-Straße geboren, und Suleiman galt als ihr glücklicher und von Gott gesegneter Vater. Als Mussa schließlich nach Paris zog, sagte Marijam ihrem Mann, der Arzt habe ihr geraten, keine Kinder mehr zu bekommen. Bis zu diesem Tag kannten nur Mussa, sie und Khadija das große Geheimnis.
    Nefissa warf nur einen kurzen Blick in Zou Zous Schlafzimmer, dann eilte sie den Gang entlang und ging in ihr Zimmer. Schnell öffnete sie die kleine Klappe in dem Gitter. Die Öffnung war gerade groß genug für ihr Gesicht. Die kalte Luft kühlte ihr die heißen Wangen. Der Mond und die Sterne standen wie vor Kälte erstarrt am Nachthimmel.
    So lange hatte sie ihn nicht mehr gesehen, aber ihre Liebe wuchs mit jedem Tag. In Gedanken sah sie ihn vor sich, sah seine strahlend blauen Augen, spürte seine weißen Finger auf ihrer Wange. Ja, sie wollte keinen anderen Mann heiraten, sie wollte nur den englischen Offizier. Und bei den täglichen fünf Gebeten betete sie nur für ihn und seine Rückkehr.
    Plötzlich fuhr ein Wagen vor und hielt mit quietschenden Bremsen. Der Chauffeur stieg aus und läutete am Tor. Nefissa glaubte, hinter dem Wagenfenster einen Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen zu sehen. War er das? Hatte er den Mut, offen hier vorzufahren und in aller Förmlichkeit um ihre Hand anzuhalten?
    Nefissa lief zum Kleiderschrank, nahm einen langen Pelzmantel heraus, legte ihn sich atemlos über die Schulter und rannte zur Treppe. Ich muß ihn begrüßen. Er darf nicht meiner Mutter zuerst begegnen, dachte sie fieberhaft, ich muß ihn warnen …
     
    Khadija brach den Tanz abrupt ab. Sie hatte die Glocke läuten hören. Das Klatschen und Trillern verstummte. Die Musiker hinter dem Paravent hörten auf zu spielen. Ein Mann rief draußen im Gang: »Ja Allah! Ja Allah!« Das war die traditionelle Warnung, daß ein Mann die Gemächer der Frauen betreten wollte.
    Als Khadija die Stimme hörte, eilte sie zur Tür und rief: »Ibrahim?«
    Und wirklich, im nächsten Augenblick erschien er in der Tür. Mit einem Freudenruf breitete sie die Arme aus und drückte ihn an sich. Die Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Du hast mir so gefehlt, Umma!« flüsterte er. »Du weißt nicht, wie sehr du mir gefehlt hast.«
    Die Tanten, Cousinen, alle Raschids drängten sich freudestrahlend um Ibrahim, während die Gäste aufgeregt miteinander sprachen. Dr. Raschid war nach Hause zurückgekehrt! Er war gesund und sah blendend aus. Was für ein glücklicher Abend, was für ein gelungenes Fest! Gott ist gut! Gott ist groß!
    Als Marijam Misrachi zu Ibrahim trat, umarmte er auch sie. Es war zwar nicht schicklich, eine Frau zu berühren, die nicht mit ihm verwandt war, aber Tante Marijam war wie eine zweite Mutter für ihn. Sie hatte ihn zu sich genommen, als seine Schwestern Fatima und Nefissa auf die Welt gekommen waren; er war mit ihren Kindern großgeworden, hatte die Bar-Mizwas ihrer Söhne besucht und regelmäßig als Kind am Sabbat bei den Misrachis gegessen.
    »Mutter«, sagte er strahlend, »ich möchte dir jemanden vorstellen.« Er trat zur Seite, und es wurde still im Salon, als eine junge Frau eintrat. Sie war groß und schlank, sie lächelte bezaubernd und trug ein elegantes Reisekostüm. Über der Schulter hing eine Ledertasche. Am auffallendsten war ein breitkrempiger Hut, eine gewagte Kreation aus Europa. Aber am meisten staunten die Frauen über die schulterlangen Haare, die wie bei einem Pagen geschnitten waren – die Frau hatte
platinblonde
Haare wie Jean Harlow!
    »Ich stelle dich hiermit meiner Familie vor«, sagte Ibrahim auf englisch zu ihr. Zu Khadija sagte er auf arabisch: »Mutter, das ist Alice, meine Frau.«
    Das betretene Schweigen hielt an.
    Erst als Alice die Hand ausstreckte und auf englisch sagte: »Guten Tag, Mrs. Raschid. Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, hörte man einige Seufzer und ein geflüstertes: »Eine Engländerin!«
    Khadija starrte auf die Hand, dann breitete sie die Arme aus und sagte auf englisch: »Willkommen in unserem Haus, meine neue Tochter. Gott sei gepriesen, denn ER hat uns gesegnet, indem ER dich zu uns gebracht

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