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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Geschäftigkeit stand Khadija und füllte Gläser mit selbstgemachter Limonade für die Kinder, die draußen im Garten im Sonnenschein spielten. Khadija vergewisserte sich, daß jedes Glas fleckenlos sauber war, und genoß dabei das Gefühl von echtem Wohlbefinden. Vor kurzem war sie wieder ein Jahr älter geworden, und noch nie hatte sie sich so gesund und stark gefühlt.
    Als Khadija noch eine Schale mit gezuckerten Aprikosen auf das Tablett stellte, fiel ihr Blick auf Sarah, die beim Kneten des Teigs für die dünnen runden Brotfladen durch das Fenster sah. Khadija wußte, wohin die Frau blickte, denn in den vergangenen sechs Jahren ließ Sarah ihren Sohn wenn möglich nie aus den Augen. Die Fellachin hatte zwar versprochen, keinem Menschen zu sagen, daß sie Zacharias’ Mutter war und Ibrahim nicht der Vater, aber die Gefahr, daß sie ihr Versprechen nicht hielt, bestand immer noch. Deshalb war Khadija auf der Hut und jederzeit auf alles gefaßt.
    Als Khadija jetzt mit dem Tablett die Stufen zum Garten hinunterstieg, blickte sie zum Himmel hinauf. Hatte es gerade gedonnert? Aber sie sah keine Wolken. Vielleicht hatte sie den Kanonendonner gehört, den Salut für den neugeborenen Sohn des Königs.
    Sie brachte die Erfrischungen zu Doreja, die im Pavillon saß und stickte, und dann zu Haneija, der jungen Frau eines Enkels von Zou Zou. Sie war bereits im fünften Monat. Danach ging Khadija mit der Limonade zur Ostmauer des Gartens, wo Alice neben ihren Blumenbeeten kniete. Da Gärtner das Anwesen um das Haus pflegten, und Khadija sich persönlich um ihren Kräutergarten kümmerte, hatte Alice sich einen kleinen Teil für ihre Zwecke ausbedungen. Sie versuchte, Pflanzen hier anzusiedeln, die in einem kühlen, feuchten Klima wuchsen. »Sieh nur, Mutter Khadija!« rief sie. »Meine Alpenveilchen blühen! Sind sie nicht wunderschön? Weißt du was? Als nächstes werde ich es mit Fuchsien versuchen! Aber ich weiß wirklich nicht, ob sie in dieser trockenen Hitze gedeihen. Ich würde auch gerne Rhododendren anpflanzen, aber sie brauchen viel Feuchtigkeit.«
    »Bestimmt wird alles gedeihen, was du pflanzt, Alice. Du schenkst deinen Blumen soviel Liebe und Aufmerksamkeit, daß sie einfach wachsen müssen.«
    Khadija nahm regen Anteil an dem Versuch ihrer Schwiegertochter, in diesem Kairo-Garten England entstehen zu lassen. Heimweh, dachte sie, kann so schmerzlich sein wie jede andere Krankheit. Aber wie alle jungverheirateten Frauen mußte sich auch die unglückliche Alice schließlich damit abfinden, daß jetzt hier ihr Zuhause war. Sie gehörte hierher, und ihr Herz mußte in Ägypten Wurzeln schlagen.
    Als junge Frau mußte auch ich mich in diesem Haus einleben, dachte Khadija.
    Sie stellte das Tablett ab und dachte an den Traum, den sie in letzter Zeit öfter hatte. Es war eine Vision aus ihrer Kindheit. Sie sah einen großen rechteckigen Turm. An den Turm konnte sie sich schon ihr ganzes Leben erinnern, aber seit dem letzten Geburtstag sah sie ihn deutlicher und öfter vor sich, als würde das Bild endlich den ganzen Zusammenhang entschlüsseln. Khadija konnte mit niemandem darüber sprechen, noch nicht einmal mit Quettah, der Astologin, die schon vor Ibrahims Geburt die Horoskope der Familienangehörigen erstellte, denn keiner wußte die Wahrheit über Khadijas Herkunft.
    Ich kenne noch nicht einmal meinen Aszendenten, dachte sie, während Alice von ihren Plänen mit dem Garten erzählte. Wie kann ich ohne Aszendenten meine Zukunft bestimmen lassen? Welche Bedeutung hat der rechteckige Turm? Wo in der weiten Welt steht er?
    Sie schob diese Fragen beiseite und begnügte sich mit dem Gedanken: Wenn Gott mir meine Herkunft zeigen will, wenn ich erfahren soll, wer meine Eltern sind und in welchem Mondhaus ich geboren bin, dann wird ER es mir enthüllen. Und so richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die spielenden Kinder.
    Die sechseinhalbjährige Jasmina tanzte mit geschlossenen Augen zu einem Lied, das nur sie hörte. Das Mädchen hatte einmal zu Khadija gesagt: »Es ist wirklich lieb von Gott, daß er uns das Tanzen geschenkt hat, Umma!« Khadija fand, daß in diesem Mädchen mit der dunklen Haut und den bernsteinfarbenen Augen ein besonderer Geist lebte, der sich mit aller Schönheit entfalten wollte. Jasmina tanzte so anmutig wie ein fliegender Vogel oder so zart wie eine Knospe vor der Blüte. Khadija hatte sich bereits vorgenommen, daß Jasmina Tanzunterricht nehmen sollte, wenn sie etwas älter war.
    Amira mit der

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