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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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etwas Besonderes. Einmal im Jahr fuhr Ibrahim mit den Kindern in die Stadt der Toten. Dort stellten sie frische Blumen auf die Gräber von Ali Raschid, Jasminas Mutter und Alices Baby. Danach gab es ein Picknick. Zu Hause erklärte ihnen dann Khadija, wie der Geist ins Paradies kommt, wenn der Körper in der Erde begraben wird. Zacharias konnte nie genug Geschichten über das Paradies hören und wollte so schnell wie möglich dorthin. Aber die Mädchen wurden manchmal nachdenklich, wenn sie hörten, daß der Koran den Männern im Leben nach dem Tod so viele Belohnungen versprach – wunderschöne Gärten und Jungfrauen. Jasmina fragte einmal, welche Belohnung eine Frau erhielt. Khadija umarmte sie lachend und erwiderte: »Der Lohn einer Frau besteht darin, ihrem Mann in aller Ewigkeit zu dienen.«
    Ein Küchenmädchen kam in den Garten gerannt und rief: »Herrin! Die Stadt brennt!«
    Erschrocken liefen sie zu den anderen auf das Dach hinauf. Von dort sah man die Flammen und die Rauchwolken.
    »Das Ende der Welt ist gekommen!« rief die Köchin.
    Khadija konnte es nicht glauben – die Stadt stand in Flammen, sogar der Nil schien zu brennen, denn das Feuer spiegelte sich im Wasser. Eine Explosion folgte auf die andere. Dann hörten sie Schnellfeuergewehre wie bei einer Schlacht.
    »Gott ist allmächtig!« flüsterte die Köchin.
    »Allah ist barmherzig!«
    Zou Zou humpelte auf einen Stock gestützt herbei. Mit erschrockenen Augen rief sie: »Gott sei uns gnädig! Die Stadt brennt.«
    Die Dienstboten begannen zu klagen und zu beten. »Werden wir angegriffen? Brennt die ganze Stadt?«
    Alice fragte tonlos: »Warum unternimmt die Regierung nichts? Wo ist die Polizei? Wo sind die Soldaten?«
    Khadija starrte auf die schwarzen Rauchwolken in etwa zwei Kilometer Entfernung und versuchte festzustellen, was dort brannte. Vor vielen Jahren war Ali Raschid auf das Dach hinaufgekommen und hatte ihr Kairo erklärt, damit sie zumindest etwas von den Besonderheiten der Stadt wußte, in der sie lebte, die sie aber nicht kannte. Der Rauch stieg dort in den Himmel auf, wo nach Alis Worten die Engländer ihre Hotels und Kinos gebaut hatten. Khadija blickte besorgt in die Richtung des Abdin Palasts, wo Ibrahim an dem Bankett teilnahm. Sie konnte aber nicht sehen, ob auch der Palast brannte.
     
    Es war bereits spät in der Nacht. Der rote Flammenschein erhellte gespenstisch den nächtlichen Himmel. Die Familie wartete besorgt auf ein Lebenszeichen von Ibrahim. Marijam und Suleiman Misrachi waren noch einmal gekommen, nachdem sie zum Kontor und Lagerhaus von Misrachis Importgesellschaft gefahren waren, denn sie fürchteten, man habe das Gebäude ebenfalls in Brand gesteckt. Sie berichteten, Suleimans Kontor und die Lagerhallen seien verschont worden, aber unterwegs sahen sie Dinge, die sie einfach nicht glauben konnten – ganze Straßenzüge standen in Flammen, wo die Briten ihre Niederlassungen hatten. Jetzt saßen sie in Khadijas Salon. Die Messinglampen flackerten, während der Zeiger der Uhr langsam auf Mitternacht zuwanderte. Im Radio verlas ein Sprecher die lange Liste der zerstörten Firmen:
    »Barclay’s Bank, Shepheard’s Hotel, das Metro Cinema, die Oper, Groppi’s …«
    Als die Uhr Mitternacht schlug, fiel ein Schatten durch die offene Tür. Doreja bemerkte es als erste. »Gott ist barmherzig! Ibrahim!« Sie sprang auf und lief zu ihm. Die anderen folgten.
    Sie umarmten, küßten und umringten ihn. Ibrahim beteuerte, daß ihm nichts geschehen sei. Man hatte ihn nicht angegriffen. Aber dann sagte er zu Suleiman: »Komm mit! Du kannst mir helfen …«
    Sie liefen hinaus und erschienen kurz darauf mit einem jungen Mann, den sie stützten. Sein Kopf war bandagiert. Als Alice ihn sah, stieß sie einen Schrei aus.
    »Eddie! Mein Gott, Eddie!« rief sie und umarmte ihn. »Aber was machst du hier? Wann bist du angekommen? Mein Gott, du bist verletzt! Was ist denn geschehen?«
    Er lächelte schwach. »Ich wollte dich überraschen. Ich glaube, das ist mir gelungen.«
    »Oh, Eddie … Eddie.« Alice schluchzte, als Ibrahim berichtete, was im Turf Club geschehen war. »Man brachte ihn in das El Aini-Krankenhaus. Von dort haben sie mich im Palast angerufen, nachdem er sie davon überzeugen konnte, daß er wirklich mit mir verwandt ist.« Ibrahim seufzte. »Also, das ist Edward, der Bruder von Alice.«
    Khadija küßte ihn vorsichtig auf die Wange und hieß ihn willkommen. Dann sagte sie mit einem Blick auf den Verband: »Es tut

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