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Das Paradies

Das Paradies

Titel: Das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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hellen Haut und den dunkelblonden Haaren lag im Gras und betrachtete hingebungsvoll ein Bilderbuch. Bereits als Fünfeinhalbjährige besaß sie einen unersättlichen Wissensdurst. Sie hatte einmal gesagt, Bücher seien so schön, denn jedesmal, wenn sie eine Seite aufschlug, fand sie etwas Neues, etwas, das sie bis dahin nicht gewußt hatte. Amira war in ihren
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den anderen weit voraus, obwohl sie die Jüngste war.
    Die gleichaltrige Tahia spielte mit ihren Puppen. »Ich möchte einmal viele Kinder haben«, erklärte sie öfter. Sie ist so anders als ihre Mutter, dachte Khadija und fragte sich, ob Nefissa noch einmal heiraten werde.
    Dann war da noch Zacharias, ein hübsches Kind mit schönen grünen Augen, der sich verträumt mit einem Spielzeug beschäftigte. Khadija staunte oft darüber, daß durch ein geheimnisvolles Wirken Gottes der Junge seinem Adoptivvater ähnlich sah. Aber das war nur äußerlich. Zacharias teilte nicht Ibrahims Vorliebe für persönliche Bequemlichkeit und oberflächliche Gedanken. Der Kleine stellte immer wieder Fragen nach den Engeln. Er blickte zum Himmel auf und wollte wissen, wie Gott und der Himmel aussehen mochten. Der Junge ist ein besonderes und gesegnetes Kind, fand Khadija. Mit sechs konnte er bereits zwanzig Suren aus dem Koran auswendig. Wenn man zu ihm sagte: »Zakki, wie lautet Vers achtunddreißig der vierten Sure«, dann erwiderte er ohne Zögern: »Die Männer sind den Weibern überlegen …«
    Omar kam in den Garten. Nefissas pausbäckiger Sohn war zehn und schien nur dumme Streiche im Kopf zu haben. Khadija gab sich alle Mühe, mit diesem schwierigen Kind Geduld zu haben. Es war nicht seine Schuld, daß seine Mutter ihn nie richtig erzogen hatte. Khadija seufzte. Auch deshalb sollte Nefissa wieder heiraten.
    Ihre fünf Enkelkinder hatten alle einen Platz in ihrem Herzen. Am meisten freute sie sich, wenn sie ihnen die Geschichten aus der christlichen Bibel erzählte – von Daniel in der Löwengrube, von König Salomon und von Josef und seinen Brüdern. Sie erzählte auch die heldenhaften Geschichten der Heiligen des Islam. Zu ihnen gehörte Khadija, die erste Frau des Propheten, Sajjida Zeinab, die Beschützerin der Behinderten, und Aijescha, die letzte Frau des Propheten, an deren Brust Mohammed ruhte, als er starb.
    Warum mußte sie ihre Vergangenheit kennen, wenn die Zukunft vor ihren Augen lag? Der geheimnisvolle Turm in ihren Träumen, welche Bedeutung er auch immer haben mochte, konnte nicht so wichtig sein wie diese Kinder.
    »Mutter Khadija«, fragte Alice und aß eine süße Aprikose, »riechst du auch den Rauch?«
    »Vielleicht brennen die Fellachen auf der anderen Seite des Nils ihre Felder ab.«
    Omar gab dem kleinen Zacharias unvermittelt einen Stoß, so daß er auf den Kiesweg fiel. Jasmina und Amira liefen sofort zu ihm und halfen dem Kleinen beim Aufstehen. Es müßten noch viel mehr Kinder hier sein, dachte Khadija. In einem Haus von dieser Größe sollten viele, viele Kinder im Garten spielen. Gewiß, es gab noch Dorejas drei Kinder, und Rajjas hatte zwei Säuglinge, aber Khadija wünschte sich noch mehr eigene Enkel. Nefissa wollte nicht mehr heiraten, auch wenn Khadija noch so viele geeignete Heiratskandidaten vorschlug, und Alice hatte Ibrahim bis jetzt nur ein lebendes Kind geschenkt. Natürlich stand es Khadija nicht zu, sich in die persönlichen Angelegenheiten zwischen Mann und Frau einzumischen, aber sie hatte mittlerweile den Verdacht, daß es im Bett der Eheleute Schwierigkeiten gab, die nichts mit Fruchtbarkeit zu tun hatten.
    Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sich die alte Angst wieder einmal bemerkbar machte. Würde es keine Kinder mehr geben? War dies ein Zeichen für Gottes Fluch? Khadija vergaß nicht die unheilvolle Nacht, in der Jasmina geboren wurde und Ibrahim später gestand, daß er Gott verflucht hatte, und nicht nur das. Ibrahim hatte einen Säugling adoptiert, um die Welt zu täuschen und Gott ins Handwerk zu pfuschen. Nefissa hatte sich verändert. Sie legte trotzig den Schleier ab und ging jetzt unverhüllt aus dem Haus. Auch Alice hatte sich verändert. Als ihr zweites Kind, wieder ein Mädchen, nach wenigen Tagen starb, erfaßte Alice eine schwere Depression. Sie verließ Ibrahims Gemächer und bezog Zimmer im Frauenteil. Alice hatte zwar ihre Depression überwunden und fand Freude am Gärtnern, aber Khadija fürchtete, daß die Ehe einen nicht wiedergutzumachenden Schaden erlitten hatte.
    »Kinder!«

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