Das Parsifal-Mosaik
Leute den KGB für ihren Tod verantwortlich, indem sie behaupten, sie wäre eine der unseren. Die Folge dieser Verdrehung ist, daß der ständige Begleiter dieser Frau, ihr Liebhaber, ein mehrsprachiger Außenagent mit außergewöhnlichen Talenten, neutralisiert wird. Von Ekel und tiefer Enttäuschung überwältigt, steigt er aus. Wir reagieren verblüfft und sehen uns daraufhin die Akten an, auch die ganz schwer zugänglichen. Aber ihr Name taucht nirgendwo auf. Jenna Karras hat nie für uns gearbeitet.« Rostow hielt inne, und seine Augen verrieten Angst. Michael Havelock war ein gefährlich gereizter Panther, der im Begriff war, zu springen, zuzuschlagen. Der Russe fuhr mit ausdrucksloser Stimme fort. »Wir sind froh. Es ist zu unserem Vorteil, daß Sie eliminiert sind, doch wir fragen uns, weshalb? Weshalb ist das geschehen? Ist es ein Trick? Und wenn ja, zu welchem Zweck? Wer hat einen Vorteil davon? Es bleibt die Frage: Warum hat man Sie suspendiert?«
»Fragen Sie Ihr VKR!« schrie Michael verächtlich. »Sie haben es nicht so geplant, aber so ist es geschehen. Ich bin so etwas wie ein Bonus! Fragen Sie Ihre Leute beim VKR.«
»Das haben wir getan«, entgegnete der Russe, »und zwar einen Abteilungsleiter, der klüger und vernünftiger ist als die meisten seiner Kollegen. Er sagte uns, er persönlich wisse nichts von der Karras oder von Einzelheiten über die Vorgänge an der Costa Brava, aber als die Außenleute keine Fragen stellten, vermutete er, daß solche Fragen nicht gestellt werden sollten, und er wies darauf hin, daß die Ergebnisse günstig waren: zwei feindliche Agenten abgeschossen, beide talentiert, einer in besonderem Maße. Die Voennaja ließ sich dafür gerne loben.«
»Warum sollte sie auch nicht? Ich war draußen, und ihr Tod konnte gerechtfertigt werden. Ein Opfer, egal, mit welchem Namen, bleibt ein Opfer, und man kann es gut zum eigenen Vorteil ins Spiel bringen. Der Mann beim VKR hat es mit seiner Aussage bestätigt.«
»Keineswegs. Er sagte uns, er hätte nicht die leiseste Ahnung, was geschehen wäre oder weshalb.«
»Er persönlich wußte es nicht«, widersprach Havelock ärgerlich. »Die Leute dort wußten es. Sie wußte es.«
»Eine wenig überzeugende Erklärung. Sein Büro ist für sämtliche Aktivitäten im südwestlichen Mittelmeersektor verantwortlich. Dieses Gebiet schließt die Costa Brava ein. Er hätte über das Rendezvous informiert sein müssen.« Rostow hielt kurz inne und fügte dann leise hinzu: »Unter normalen Umständen.« »Vielleicht doch keine so schwache Erklärung?« fragte Michael. »Daß ich mich da täusche, ist kaum denkbar. Diese Möglichkeit ist äußerst gering.«
»Von der Möglichkeit gehe ich aus!« schrie Havelock erneut, irritiert über seinen plötzlichen Ausbruch. »Vielleicht müssen Sie so denken.«
»Das VKR bekommt ziemlich häufig seine Anweisungen direkt von höchsten politischen Instanzen im Kreml. Das ist kein Geheimnis. Wenn Sie nicht lügen, hat man Sie einfach übergangen.« »Ganz bestimmt. Und der Gedanke macht mir mehr Angst, als ich Ihnen sagen kann. Aber sosehr ich auch Ihre beruflichen Leistungen anerkennen muß, trotzdem glaube ich nicht, daß die Leute, die im Kreml die Politik machen, sich mit unseresgleichen befassen. Sie beschäftigen sich mit Dingen von globaler Bedeutung. Und, was in diesem Zusammenhang sehr viel mehr bedeutet, sie haben keine Erfahrung mit uns.«
»Dafür haben sie Erfahrung mit der RAF. Und der PLO und der Brigate Rosse und ein paar Dutzend Rote Armeen, die überall Unheil stiften! Das ist Politik!« »Nur für Wahnsinnige.«
»Genau davon sprechen wir! Von Wahnsinnigen!« Michael hielt inne, und das Offenkundige war ihm plötzlich klar. »Wir haben die Codes der VKR entschlüsselt. Sie waren authentisch; ich habe genug Varianten gesehen, um das beurteilen zu können. Ich habe den Kontakt hergestellt - sie hat geantwortet! Ich habe den letzten Funkspruch an die Männer in dem Boot draußen auf See abgesetzt und - sie hat geantwortet! Erklären Sie mir das!« »Das kann ich nicht.« »Dann verschwinden Sie!«
Der KGB-Mann sah auf die Uhr. »Das muß ich ohnehin. Die Zeit ist um.«
»Ja, das ist sie.«
»Wir befinden uns in einer Pattsituation«, sagte der Russe. »Ich nicht.« »Nein, Sie wahrscheinlich nicht, und das macht die Risiken, die Sie betreffen, noch größer. Sie wissen, was Sie wissen, und ich weiß, was ich weiß: ein Patt, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht.« »Ihre Zeit ist um,
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