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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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auseinander und spürte, wie die Erregung in ihm wuchs.
    Er ging an den Schrank, schraubte die Scotchflasche auf und schenkte sich ein. »Prijatel«, sagte er leise, als er sein Gesicht im Spiegel betrachtete. Plötzlich starrte er seine Augen an, seine eigenen Augen. Und in einem Augenblick des Schreckens schmetterte er das Whiskyglas mit solcher Gewalt zu Boden, daß das Glas zersprang; Blut quoll langsam über seine Hand.
    Die Augen ließen ihn nicht los! Und dann begriff er. Hatten seine eigenen Augen in jener Nacht an der Costa Brava die Wahrheit gesehen? »Hör auf!« schrie er. »Es ist vorbei!«
    Dr. Harry Lewis saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch und hielt das Telegramm in der Hand. Er lauschte auf die Stimme seiner Frau. Jetzt kam sie.
    »Bis später, Liebling«, rief sie vom Flur herein. Die Haustür öffnete sich und schloß sich wieder. Sie hatte das Haus verlassen. Lewis nahm den Hörer ab und wählte die Vorwahl von Washington D. C. Die sieben Ziffern, die folgten, hatte er auswendig gelernt; sie waren nirgendwo notiert und würden auch nie auf einer Rechnung erscheinen.
    »Ja?« fragte eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung. »Birchtree«, meldete sich Harry.
    »Sprechen Sie, Birchtree. Sie werden auf Band aufgenommen.« »Er hat akzeptiert. Das Telegramm kam aus Athen.« »Irgendeine Änderung in den Daten?«
    »Nein. Er wird hier einen Monat vor Beginn des Trimesters eintreffen.«
    »Hat er gesagt, wo er von Athen aus hinreisen wird?« »Nein.« »Wir beobachten die Flughäfen. Danke, Birchtree.«
    Schon bald nach seiner Ankunft in Rom war ihm die geliebte Stadt rasch verleidet. Überall wurde gestreikt, fast an jeder Straßenecke in den Parks und an den Brunnen bildeten sich Gruppen von Streikenden, die lautstark und temperamentvoll die Lage diskutierten. Die Post lag im Rinnstein neben dem Müll, den niemand abholte. Nirgends gab es Taxis, und die meisten Restaurants waren geschlossen, weil sie nicht mehr mit frischer Ware beliefert wurden. Die poliziotti hatten die Arbeit eingestellt, so daß der ohnehin schon chaotische Verkehr völlig zum Erliegen kam. Und das Telefonnetz brach ebenfalls zusammen. Die Stadt war von Hysterie erfüllt. Es war der zweite Abend. Michael hatte seine Pension in der Via Due Macelli vor mehr als zwei Stunden verlassen, um in der Via Flarnina Vecchia in einem seiner Lieblingsrestaurants zu speisen. Doch das Lokal war geschlossen, auch nach langer Geduld fand er kein Taxi, das ihn zur Spanischen Treppe zurückbringen sollte. Als er das nördliche Ende der Via Veneto zu Fuß erreicht hatte, sah er im beleuchteten Fenster eines Reisebüros ein Plakat, das für einen Besuch Venedigs warb.
    Warum, zum Teufel, sollte er eigentlich nicht in die Lagunenstadt reisen? Schließlich war er an keinen festen Plan gebunden. Er sah auf die Uhr; es war kurz vor halb neun, wahrscheinlich zu spät, um noch einen Flug zu bekommen. Aber wenn er sich richtig erinnerte - und das hoffte er -, verkehrten von Rom aus bis Mitternacht Züge. Die langsame, nächtliche Bahnfahrt von Gagliano del Capo nach Rom durch Landschaften, die sich seit Jahrhunderten nicht verändert hatten, hatte ihm gefallen. Warum also nicht einen Zug nehmen? Sein Koffer war in wenigen Minuten gepackt, und zum Bahnhof waren es zwanzig Minuten zu Fuß. Das Geld, das er auszugeben bereit war, würde für eine Unterkunft sicherlich ausreichen. Wenn nicht, konnte er jederzeit in die Via Due Macelli zurückkehren. Er hatte sein Zimmer für eine Woche im voraus bezahlt. Fünfundvierzig Minuten später schritt Havelock durch das riesige Portal des Bahnhofs Ostia, den Mussolini in den verklärten Tagen der Trommeln und Trompeten hatte bauen lassen, als die Züge pünktlich verkehrten.
    Italienisch gehörte nicht zu den Sprachen, die Michael besonders gut beherrschte, aber lesen konnte er sie einigermaßen. Biglietto per Venezia. Prima classe.
    Die Schlange war kurz, und er hatte Glück. Der berühmte Frectia della Laguna fuhr in acht Minuten, und wenn der Signore bereit war, den Aufpreis zu zahlen, könne er ein eigenes Abteil haben. Das wünschte er, und während der Beamte sein prunkvolles Ticket stempelte, sagte er ihm, daß der Zug von der binario trentasei verkehre, einige hundert Meter vom Schalter entfernt. »Fate presto, Signore. Non perdete tempo! Fate in fretta!« Michael bahnte sich, so schnell er konnte, den Weg zum Gleis 36. Wie gewöhnlich - er erinnerte sich aus seiner Vergangenheit daran -

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