Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
wieder zu erreichen und die Treppe zum nächsten, halb verlassenen Bahnsteig hinunterzugehen. Der Zug nach Venedig war abgefahren, und die Reinigungstrupps drängten sich in die Waggons des Zugs, der Jenna Karras nach Rom gebracht hatte, die Tote von der Costa Brava. Wie? Da stand sein Koffer, zerdrückt, aber noch intakt. Die Gurte waren gerissen, die Sachen schauten hervor, doch seltsamerweise noch ganz. Sein Koffer war in den engen Spalt zwischen den Rand des Bahnsteigs und der schmutzigen Seitenwand des dritten Waggons eingezwängt. Er kniete nieder und zog an ihm. Als er ihn schließlich mit einigen Mühen freibekommen hatte, verlor er das Gleichgewicht, fiel auf den Betonboden und hielt immer noch den halb abgerissenen Handgriff fest. Ein Mann im Overall, der einen breiten Besen vor sich her schob, näherte sich. Michael erhob sich langsam, ungeschickt, erkannte, daß der Reinigungsmann stehengeblieben war. Seine Augen verrieten zugleich Erheiterung und Abscheu.
    Plötzlich brach der Griff, rutschte der Koffer nach unten, nur noch von einem Scharnier gehalten. Havelock riß ihn in die Höhe und preßte ihn an sich. Wie in Trance eilte er den Bahnsteig hinunter auf die Treppe zu.
    Plötzlich war er draußen auf der Straße, den Koffer gegen die Brust gepreßt. Unsicher ging er an einer Reihe erleuchteter Schaufenster vorbei. Er war sich bewußt, daß Leute ihn immer wieder anstarrten, mit seinem zerrissenen Sakko und dem zerdrückten Koffer, dessen Inhalt heraushing. Die Nebel fingen an, sich zu lösen, die kalte Nachtluft verteilte sie. Er mußte wieder zu sich finden, mußte sich auf das Nächstliegende konzentrieren: sich das Gesicht waschen, Kleider wechseln, sich ausruhen, eine Zigarette rauchen, den Koffer ersetzen.
    F. MARTINELLI Valigeria
    Die Neonbuchstaben leuchteten in tiefem Rot über dem breiten Schaufenster, in dem Reisezubehör ausgestellt war. Es war eines jener Geschäfte in der Nähe des Bahnhofs Ostia, in denen wohlhabende Ausländer und Italiener kauften. Bei der Ware handelte es sich um ganz gewöhnliche Dinge, aus denen man durch die Verwendung kostspieliger Materialien wie Silber und poliertem Messing Luxusartikel gemacht hatte.
    Havelock stand einen Augenblick vor dem Eingang und atmete tief durch. Den Koffer hielt er krampfhaft fest, als wäre er ein Gegenstand, der ihn zu tragen vermochte. Irgendwohin an ein Ufer. Wie eine Planke im tosenden Meer. Als er eintrat, war schon beinahe Ladenschluß, und im Geschäft hielten sich keine Kunden mehr auf, wie er erleichtert feststellte.
    Der Geschäftsführer trat auf ihn zu, sein Gesichtsausdruck wirkte besorgt, verstört. Er zögerte, trat dann einen Schritt zurück, als wollte er schnell die Flucht ergreifen. Havelock sprach hastig, in kaum verständlichem Italienisch.
    »Ich bin am Bahnsteig in eine halbverrückte Menge geraten. Dabei bin ich gestürzt. Jetzt brauche ich dringend ein paar Dinge ... eine ganze Menge, um es genau zu sagen. Man erwartet mich ziemlich bald im >Hassler<.«
    Als der Geschäftsführer den Namen von Roms exklusivstem Hotel hörte, setzte er sofort eine mitfühlende Miene auf. »Animali!« rief er aus und machte eine großspurige Handbewegung. »Wie schrecklich für Sie, Signore! Hier, lassen Sie sich von mir helfen ...«
    »Ich brauche einen neuen Koffer, aus weichem, sehr gutem Leder, wenn Sie so etwas haben.« »Naturalmente ...«
    »Ich bin mir klar, daß das eine Zumutung ist, aber meinen Sie, ich könnte mich hier irgendwo waschen? Ich würde die Contessa ungern in diesem Zustand begrüßen.«
    »Bitte, folgen Sie mir, Signore! Ich bitte tausendmal um Entschuldigung!«
    Während Michael sich in einem Hinterzimmer wusch und umzog, konzentrierte er seine Gedanken auf die zwei kurzen Besuche, die er und Jenna Karras in Rom gemacht hatten. Beim erstenmal waren sie auf der Durchreise gewesen und nur eine Nacht geblieben; der zweite Aufenthalt war länger gewesen, hatte drei oder vier Tage gedauert, wenn er sich richtig erinnerte. Sie hatten Anweisungen aus Washington erwartet; damals waren sie als ein jugoslawisches Ehepaar durch die Balkanländer gereist, mit dem Auftrag, ein Verzeichnis über die sich ausdehnenden Verteidigungsanlagen an den Grenzen zu erstellen. Damals war ein Beamter der Heeresabwehr Havelocks Verbindungsperson nach Washington gewesen. Er war der einzige Farbige, der als ranghoher Attache in der Botschaft arbeitete. Er hieß Lawrence B. Brown, der Buchstabe in der Mitte stand für seinen

Weitere Kostenlose Bücher