Das Parsifal-Mosaik
ihn und bekommt ein Kontra, mit dem er nicht klarkommt. Dann will er natürlich den für die Strategie verantwortlichen Mann im Sitzungssaal haben.«
»Staatssekretär Pierce hat während der Sitzungen am Donnerstag und Freitag eine ganze Anzahl solcher Exposés, wie Sie sie nennen, vorgebracht.«
»Das ist üblich. Er ist ebenso oft außerhalb des Sitzungssaales, wie er drinnen ist. Ich muß wirklich sagen, der Mann ist ein klasse Diplomat. Ich glaube, daß der Mann einiges bewegt - ich meine, er ist sehr eindrucksvoll. Selbst die Sowjets mögen ihn.« >Ja, das tun Sie, Mr. Attaché. Sie mögen ihn sogar so sehr, daß kontroverse Anträge durch vorherige Absprachen vermieden werden könntenc, dachte Bradford bei sich. »Eine Frage habe ich doch noch.« »Nur zu, Sir.«
»Was ist aus Carpenter geworden?«
»Das wüßte ich auch gern. Ich wollte, ich könnte ihn finden. Ich glaube, er hat einfach resigniert.« »Was meinen Sie damit?«
»Ich nehme an, Sie wissen es nicht. Seine Frau und seine Kinder sind ein paar Tage vor Weihnachten bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie allein vor dem Weihnachtsbaum ständen und die Geschenke ungeöffnet bleiben?« »Es tut mir leid.«
»Der Mann hat wirklich Mumm bewiesen, daß er so bald wieder zurückkam. Natürlich waren wir uns alle einig, daß das vielleicht das beste für ihn wäre. Mit Leuten zusammenzusein, die ihn mochten, und nicht allein.«
»Ich nehme an, Staatssekretär Pierce hat sich dieser Meinung auch angeschlossen.«
»Ja, Sir. Er war derjenige, der ihn überredete, wieder zur Arbeit zu kommen.« »Verstehe.«
»Und dann tauchte er eines Morgens einfach nicht mehr auf. Am nächsten Tag kam ein Telegramm, in dem er seinen Rücktritt erklärte, und zwar mit sofortiger Wirkung.«
»Das war ungewöhnlich, nicht wahr? Genaugenommen auch nicht ganz korrekt, vermute ich.«
»Nach allem, was er durchgemacht hatte, kann ich mir nicht vorstellen, daß jemand ihm mit Formalitäten kommen wollte.« »Und der Staatssekretär war wiederum einverstanden.« »Ja, Sir.
Pierce dachte, Carpenter sei einfach verschwunden. Ich hoffe, es geht ihm gut.« Er ist tot, Mr. Attaché. Die Marionette ist tot.
Bradford hatte weiter in den Akten geblättert, bis die Sonne aufgegangen war und seine Augen vom vielen Lesen schmerzten. Anschließend hatte er die Anwesenheitsliste für den Tag untersucht, in dessen Nacht der >Ambiguity<-Code gestohlen worden war und jemand das >nicht zu retten< nach Rom durchgegeben hatte. Er fand, was er erwartet hatte: Arthur Pierce war nicht in New York, sondern in Washington gewesen, in seinem Büro im vierten Stock ... und er war natürlich um kurz nach fünf Uhr nachmittags weggegangen, zu einer Zeit, wo viele andere Mitarbeiter ebenfalls den Dienst beendet hatten. Wie leicht mußte es doch gewesen sein, in der Menge hinauszugehen, die Sicherheitsliste abzuzeichnen und wieder zurückzukehren. Er hätte die ganze Nacht im Büro bleiben und sich am Morgen wieder eintragen können, und keiner hätte etwas bemerkt. Genauso hätte er, Staatssekretär Emory Bradford, es an diesem Morgen handhaben können. Aber - wo war die Verbindung mit Moskau?
Als es acht Uhr war, kündigten ihm die Augen den Dienst; er konnte sich einfach nicht mehr konzentrieren, und so hatte er sich in seinem Sessel zurückgelehnt und geschlafen. Eine halbe Stunde später hatten ihn die Geräusche des beginnenden Arbeitstages vor seiner Bürotür geweckt. Das State Department war zum Leben erwacht. Die Sekretärinnen hatten Kaffee gekocht und Terminpläne getippt, während sie die Ankunft ihrer Vorgesetzten erwarteten. Bradford war aufgestanden und hinausgegangen, um seine Sekretärin, eine Dame in mittleren Jahren, zu begrüßen. Sie war durch sein Erscheinen erschreckt, das hatte er in ihren Augen gelesen. Erst in diesem Augenblick war ihm klargeworden, wie er ausgesehen haben mußte, ohne Krawatte, in Hemdsärmeln, dunkle Ringe um die Augen, das Haar zerwühlt und schwarze Bartstoppeln im Gesicht. Er hatte um Kaffee gebeten und war zur Herrentoilette gegangen, um sich dort, so gut es ging, wieder herzurichten. Als er dann durch das große Büro lief, spürte er die Blicke, die ihm folgten. >Wenn sie nur wüßten<, hatte er bei sich gedacht.
Havelocks Ratschlag folgend, hatte er gegen zehn Uhr eine öffentliche Telefonzelle aufgesucht und veranlaßt, daß die Bänder und Fotografien von New York eingeflogen wurden. Er war versucht, den
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