Das Parsifal-Mosaik
Niederschrift der Sitzung vom Donnerstag auf eine merkwürdige Abkürzung: Vortr. F.C.
Es folgte eine eindeutige und ziemlich langwierige Empfehlung von Pierce, die dem Botschafter vorgelegt wurde. Bradford war diese Passage vorher nicht aufgefallen.
Die Abkürzung Vortr. F.C. bedeutete: vorgetragen von Franklyn Carpenter. Das hieß ja, daß Pierce nicht persönlich sein Statement abgegeben hatte, sondern sich von Carpenter vertreten ließ. Pierce war also nicht zugegen gewesen!
Bradford hatte daraufhin das Protokoll Zeile für Zeile gelesen und entdeckt, daß Carpenter am Donnerstag und am Freitag Pierces Stuhl eingenommen hatte. Freitag - das war der Anfang des Jahres gewesen; die Operation an der Costa Brava hatte in der Nacht des 4. Januar stattgefunden, an einem Sonntag. Ein Wochenende also. An dem Mittwoch zuvor hatte der Sicherheitsrat nicht getagt, die Mehrzahl der Delegationen hielten am Silvesterabend diplomatische Empfänge ab. Am Donnerstag, dem ersten Tag des neuen Jahres, hatte der Rat seine Sitzungen wieder aufgenommen und auch am Freitag getagt ... aber nicht am Samstag oder Sonntag. Arthur Pierce hätte das Land schon Dienstag verlassen können und fünf Tage Zeit für die Costa Brava gehabt ... War er >Ambiguity Bradford hatte Havelock angerufen, der ihm gesagt hatte, wen er jetzt suchen sollte: die Marionette.
Vom Nachtdienst im State Department hatte der Staatssekretär erfahren, daß Franklyn Carpenter vor gut drei Monaten seinen Dienst quittiert hatte. Die Nummer, die er hinterlassen hatte, war unbrauchbar; das Telefon war abgemeldet worden. Daraufhin hatte Bradford der Zentrale den Namen der anderen Person gegeben, die auch während jener Donnerstagssitzung des Sicherheitsrats Mitglied der amerikanischen Delegation gewesen war, ein Attaché im unteren Rang, der ohne Zweifel noch in New York war. Die Zentrale hatte den Staatssekretär morgens um Viertel nach fünf zurückgerufen und ihn mit dem UNO-Attaché verbunden. »Hier spricht Staatssekretär Bradford ...«
Die erste Reaktion des Mannes war Erstaunen gewesen, in das sich spürbare Angst mischte. Bradford hatte einige Minuten gebraucht, den Mann zu beruhigen und ihn auf jene Tage einzustimmen, die jetzt fast vier Monate zurücklagen. »Können Sie sich erinnern?« »Einigermaßen schon, denke ich.«
»Ist Ihnen an jenem Wochenende irgend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?« »Nichts, das mir jetzt in den Sinn käme. Nein, Sir.«
»Das amerikanische Sitzungsteam - mich interessieren besonders der Donnerstag und der Freitag - bestand aus dem Botschafter, Arthur Pierce, Ihnen und einem Mann namens Carpenter. Ist das richtig?«
»Ich würde die letzten zwei umdrehen. Damals war ich das rangtiefste Mitglied.«
»Waren Sie alle vier jeden Tag anwesend?«
»Nun ... ich denke schon. Es ist schwierig, sich nach vier Monaten an jeden Tag genau zu erinnern. Sie könnten das den Anwesenheitslisten entnehmen.«
»Donnerstag war der Neujahrstag, hilft Ihnen das?« Ehe der Attaché antwortete, waren ein paar Augenblicke verstrichen. Als er schließlich wieder sprach, schloß Bradford die Augen. »Ja, jetzt erinnere ich mich. Ich war vielleicht eingetragen, aber ich war nicht da. >Der weiße Blitz< hatte ... entschuldigen Sie ...« »Ich weiß schon, wen Sie meinen. Was hat Staatssekretär Pierce getan?«
»Er hatte mich nach Washington geschickt, um eine Analyse über die gegenwärtige Lage im Mittleren Osten zu erstellen. Ich habe fast das ganze Wochenende damit verbracht. Und dann, können Sie sich das vorstellen, hat er meine Arbeit überhaupt nicht verwendet. Bis heute nicht.«
»Eine letzte Frage noch«, sagte Bradford, bemüht, die Erregung in seiner Stimme zu unterdrücken. »Wenn die Empfehlungen eines Delegations mitgliedes dem Botschafter durch einen anderen vorgetragen werden, was genau hat das zu bedeuten?« »Das ist ganz einfach. Die Seniormitglieder versuchen, gegnerische Anträge vorherzusehen, und entwerfen Strategien, um sie zu blockieren. Im Falle, daß der Betreffende nicht im Saal ist, wenn ein solcher gegnerischer Antrag kommt, liegt dem Botschafter seine Empfehlung vor.«
»Ist das nicht gefährlich? Könnte nicht jemand einfach irgend etwas unter einem offiziellen Titel zusammenschreiben und es einem Mitglied geben?«
»O nein, so funktioniert das nicht. Solche Exposés werden nicht einfach eingeschickt. Man muß schon anwesend sein. Angenommen, der Botschafter findet Gefallen an einem solchen Vorschlag, benutzt
Weitere Kostenlose Bücher