Das Parsifal-Mosaik
ändern.
»Wie lange, glaubst du, wird Shippers' Reaktion auf sich warten lassen?« fragte Jenna, die mit Havelock in dem kleinen, von der Sonne beschienenen Alkoven neben der Küche saß und frühstückte. »Das ist schwer zu sagen. Es hängt davon ab, wie überzeugend Randolph sein wird und wie schnell Shippers argwöhnen wird, daß es sich bei der Versicherungsgesellschaft in Wirklichkeit um etwas anderes handeln könnte, etwas, das ihm Angst macht. Es könnte heute sein, heute abend noch, morgen ... übermorgen.« »Ich hätte gedacht, du würdest Randolph dazu veranlassen, ihn zu einer sofortigen Reaktion zu zwingen. Kannst du dir denn die Zeit leisten?« »Ich kann es mir nicht leisten, ihn zu verlieren; er ist das einzige Bindeglied, das wir haben. Sein Name ist in dem Laborbericht nicht erschienen; das ist ihm nicht schwergefallen, da Randolph sich ja dafür entschieden hatte, den vermeintlichen Selbstmord zu vertuschen. Shippers weiß, daß für ihn nur dann Gefahr besteht, wenn Randolph sich selbst belasten würde, und das würde er niemals tun.«
»Aber alles hängt davon ab, möglichst schnell ans Ziel zu kommen«, wandte Jenna ein. »Ich verstehe deine Strategie wirklich nicht.« Havelock sah sie an, seine Augen blickten fragend, unsicher. »Ich weiß selbst nicht, ob ich sie verstehe. Ich habe immer gewußt, daß man in diesem Geschäft - unserem sogenannten Beruf - die Dinge nur so zum Laufen bringt, indem man wie sein Feind denkt, sich in seine Lage versetzt und dann das tat, wovon man überzeugt ist, daß er es nicht erwartet. Und jetzt verlangt man von mir, in die Haut eines Mannes zu schlüpfen, zu dem ich überhaupt keine Beziehung habe.« Michael nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse und fuhr fort: »Denk einmal darüber nach. Eine amerikanische Kindheit, Jugend ... Freunde an der Schule und auf dem College ... Mädchen, mit denen man ausgeht, mit denen man über sich selbst spricht, Leute, die man mag und denen man sich anvertraut. Das sind die Jahre, in denen man Geheimnisse mit anderen teilt; es ist gegen die menschliche Natur, diese Geheimnisse für sich zu behalten ... es ist ein Teil des Erwachsenwerdens, sich selbst zu offenbaren. Erkläre mir, wie ein Mann wie er, ein paminjatschik , es schafft, das eine Geheimnis zu bewahren, das ganz tief in ihm schlummert und das er nie jemandem offenbaren darf.«
»Ich weiß nicht, aber du hast gerade jemanden beschrieben, den ich sehr gut kenne.« »Wen?«
»Dich, mein Liebling.«
»Das ist doch verrückt.« Havelock setzte die Tasse ab. »Wirklich?« Jenna griff über den Tisch, legt e kurz die Hand auf die Tasse. »Wie vielen Freunden auf der Schule und im College, wie vielen Mädchen und Leuten, die du wirklich gemocht hast, hast du denn von Mikhail Havlicek und Lidice erzählt? Sag es mir!« »Das war sinnlos, das war doch Vergangenheit.« »Ich hätte es nie erfahren, wenn unsere Vorgesetzten nicht auf einer gründlichen Überprüfung unserer Vergangenheit bestanden hätten. Eure Abwehrdienste haben nicht immer die besten Leute in unseren Teil Europas geschickt, und wir haben für diese Fehler bezahlt. Aber als uns die Akte Havlicek übergeben wurde, war es ein Mann aus den höchsten Rängen eures State Departments, der die versiegelte Akte brachte und sie wieder mitnahm. Es war offensichtlich, daß deine unmittelbaren Vorgesetzten - unsere normalen Kontakte - von deiner frühen Vergangenheit nichts wußten. Aus irgendeinem Grund hat man sie vor ihnen verborgen gehalten. Warum, Mikhail?«
»Das habe ich dir doch gerade gesagt. Matthias und ich waren uns darüber einig; das war vorbei.«
»Du wolltest also, daß jener Teil deines Lebens verborgen blieb, unsichtbar.« »Das reicht jetzt.«
»Ich war so oft mit dir zusammen, wenn ältere Leute von jenen Tagen sprachen, und du hast nie etwas gesagt, nie durchblicken lassen, daß du das selbst miterlebt hattest. Wenn du es nämlich getan hättest, dann hätte das zu deinem Geheimnis führen können, zu den Jahren, über die du nicht reden wolltest.« »Das ist logisch.«
»Wie dieser Shippers bist du dabeigewesen und hieltest dich verborgen.«
»Das ist eine sehr weit hergeholte Parallele.«
»Keineswegs«, beharrte Jenna. »Du kannst nicht einmal die üblichen Erkundigungen über Shippers einziehen, weil er von Informanten gewarnt werden könnte, und dann würde er verschwinden, sein Geheimnis schützen. Du wartest darauf, daß er über Randolphs Anruf nachdenkt und am Ende vielleicht
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