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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Tscheche war, aber das war auch alles. Im Krieg gab es ein paar tausend tschechoslowakische Familien in England; damit wurde auch sein Aufenthalt in England erklärt. Aber es stimmte nicht, er war während des Krieges gar nicht in Großbritannien. Seine Eltern auch nicht. Jene Jahre hat er vielmehr in Prag verbracht. Es war ein langer Alptraum, der für ihn sehr real war. Es fing an, als er alt genug war, um die Dinge zu durchschauen. Leider können wir nicht in ihn hineinsehen.« Der Doktor wandte sich zu Miller. »Wir werden hier Ihren Rat brauchen, Paul. Er könnte äußerst gefährlich sein.« »Dann sollte man das besser klären«, entgegnete der Psychiater. »Wie weit zurück müssen wir denn gehen? Und warum?« »Beschäftigen wir uns zuerst mit dem >Warum<«, sagte Stern und nahm ein paar Blätter aus der Akte. »Seit seiner Kindheit hat er ständig mit der Angst vor Verrat leben müssen. Es gab eine kurze Periode - die Zeit, die er auf der Oberschule und der Universität verbracht hat -, wo er nicht unter diesem Druck stand, aber die Erinnerung muß schrecklich gewesen sein. Aber die letzten sechzehn Jahre befand er sich wieder in derselben bedrohlichen Welt. Vielleicht hat er zu viele Gespenster gesehen.« »Etwas präziser bitte, Daniel«, drängte der Psychiater. »Gern«, erwiderte Stern und sah wieder auf das Blatt, das er in der Hand hielt. »Dazu müssen wir bis zum Juni des Jahres 1942 zurückgehen, als Krieg in der Tschechoslowakei war. Sehen Sie, dieser Mann heißt eigentlich nicht Havelock, sondern Havlicek, Mikhail Havlicek. Er ist irgendwann Mitte der dreißiger Jahre in Prag geboren, das genaue Datum ist unbekannt. Sämtliche Akten sind von der Gestapo vernichtet worden.« »Gestapo?« Der Anwalt Dawson lehnte sich in seinem Sessel zurück, als hätte das Wort eine Erinnerung in ihm ausgelöst. »Juni 1942 ... die Nürnberger Prozesse.«
    »Das hat in den Nürnberger Akten ziemlichen Raum eingenommen«, pflichtete Stern ihm bei. »Am 27. Mai ist Reinhard Heydrich, bekannt als der >Henker von Pragc, von tschechischen Partisanen getötet worden. Ihr Anführer war ein Professor von der Kariowa-Universität, der entlassen worden war und mit der britischen Abwehr zusammenarbeitete. Sein Name war Havlicek. Er wohnte mit seiner Frau und seinem Sohn in einem Dorf etwa fünfzehn Kilometer außerhalb von Prag, wo er den Partisanenkampf organisierte. Das Dorf hieß Lidice.«
    »Du lieber Gott!« platzte Miller hervor.
    »Er ist bei dem Attentat nicht in Erscheinung getreten«, meinte Stern trocken und blätterte in den Papieren. »Aus Angst, er könnte am Ort des Attentats gesehen worden sein, hielt Havlicek sich fast zwei Wochen im Keller der Universität verborgen. Ihn entdeckte man nicht, aber jemand anderen aus Lidice; und dann wurden als Vergeltung für Heydrichs Tod alle erwachsenen Männer aus dem Ort erschossen, während die meisten Frauen und Kinder in Konzentrationslager gebracht und vergast wurden.«
    »Diese Schweinehunde haben einfach kurzen Prozeß gemacht«, sagte Ogilvie.
    »Die Befehle aus Berlin wurden bis zum Morgen des zehnten Juni, dem Tag der Massenexekution, geheimgehalten«, fuhr Stern fort. »Das war auch der Tag, an dem Havlicek wieder nach Hause zurückkehrte. Als die Hinrichtungen bekannt wurden -man hatte Proklamationen an Telefonmasten genagelt und über Radio durchgegeben -, hinderten ihn die Partisanen daran zurückzugehen. Sie sperrten ihn ein und beruhigten ihn mit Medikamenten. Sie wußten, daß er nichts ausrichten konnte. Schließlich erzählten sie ihm das Schlimmste: Man hatte seine Frau in die Hurenlager geschickt; später wurde bekannt, daß sie sich in der ersten Nacht getötet hat und dabei einen Offizier der Wehrmacht in den Tod mitnahm. Und sein Sohn war nirgends zu finden.«
    »Aber man hatte ihn - soviel steht fest - nicht mit den anderen Kindern mitgenommen«, sagte Dawson.
    »Nein, er hatte im Wald Hasen gejagt und kam gerade rechtzeitig, um mit anzusehen, wie sie zusammengetrieben, niedergemetzelt und die Le ichen schließlich in Gräben geworfen wurden. Er erlitt einen Schock und rannte zurück in den Wald. Dort lebte er wochenlang wie ein Tier. Dann begannen sich Gerüchte zu verbreiten, ein Kind würde im Wald umherirren. Der Vater hörte davon und wußte Bescheid; er hatte seinem Sohn gesagt, er solle in den Wald fliehen, wenn die Deutschen ihn holen wollten. Es dauerte mehr als einen Monat, bis Havlicek den Jungen fand. Er hatte sich in Höhlen

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