Das Parsifal-Mosaik
wenn wir ihn nicht rechtzeitig erreichen. Je länger er von Halluzinationen verfolgt wird, desto tiefer versinkt er in seiner krankhaften Phantasie. Das Gefühl, verfolgt zu werden, wird sich verstärken, bis es unerträglich wird und er glaubt, zuschlagen zu müssen ... sich wehren zu müssen, indem er selbst angreift. Das ist seine Verteidigung.« »Und auf welche Weise, Paul?« fragte Stern.
»Da gibt es mehrere Möglichkeiten«, erwiderte der Psychiater. »Im extremsten Fall tritt er mit Männern in Verbindung, die er aus seiner früheren Tätigkeit in ausländischen Abwehrkreisen kennt, und bietet ihnen an, Informationen zu liefern. Oder er könnte Briefe schreiben - mit Kopien an uns - oder Telegramme schicken, die wir mit Leichtigkeit auffangen könnten, in denen er auf Aktivitäten in der Vergangenheit hindeutet, die in unserem Interesse besser nicht näher untersucht werden sollten. Was auch immer er tut, er wird ungewöhnlich vorsichtig vorgehen. Sie haben es selbst gesagt, Daniel, er könnte gefährlich sein. Er ist gefährlich.«
»Er wird ihnen anbieten, Informationen zu liefern«, wiederholte der Anwalt Millers Worte. »Also sie nicht gleich rausrücken?« »Zuerst nicht. Er wird versuchen, uns dazu zu zwingen, uns zu erpressen, um das zu sagen, was er hören möchte: daß die Karras lebt, daß das Ganze eine Verschwörung war, mit dem Ziel, ihn zum Rücktritt zu treiben.«
»Und keines von beidem könnten wir überzeugend bewirken, weil wir ihm keine Beweise für seine verrückte Vorstellung präsentieren können«, sagte Ogilvie. »Nichts, was er akzeptieren würde. Er ist ein erfahrener Agent. Was auch immer wir ihm schicken, er wird es filtern, mit größtem Mißtrauen prüfen und schließlich für eine Lüge halten. Was erzählen wir ihm also?«
»Gar nichts«, antwortete Miller. »Versprechen Sie ihm nur, ihn einzuweihen. Formulieren Sie es, wie Sie wollen. Die Information ist zu geheim, um per Kurier gesandt zu werden, zu gefährlich, als daß sie diesen Raum verlassen dürfte. Sie müssen sein Spiel mitspielen. Denken Sie daran, er möchte unbedingt erreichen, daß seine Halluzination bestätigt wird - er braucht das sogar, wenn Sie wollen. Er hat eine tote Frau gesehen; er muß daran glauben. Und die Bestätigung findet er hier, meint er.«
»Tut mir leid, Boß.« Der rothaarige ehemalige Agent spreizte die Hände. »Das nimmt der uns nicht ab, nicht so. So einfach läuft das nicht. Er wird schon etwas Überzeugenderes haben wollen.« »Von Matthias?« fragte Dawson leise. »Das wäre das beste«, stimmte der Psychiater zu. »Nicht, solange wir noch eine andere Wahl haben«, sagte Stern. »Der Minister ist momentan in einem schlechten Gesundheitszustand und schont seine Kräfte für die SALT-3-Verhandlungen. Mit dieser Sache dürfen wir ihn jetzt nicht belasten.« »Womöglich zwingen uns aber die Umstände dazu«, beharrte Dawson.
»Vielleicht.« Stern wandte sich an Ogilvie. »Müssen wir denn Havelock etwas Konkretes bieten, Red?«
»Damit wir nahe genug an ihn heran können, um ihn zu schnappen.«
»Könnte man ihm nicht, um ihn anzulocken, eine Story sozusagen in Fortsetzung auftischen, die ihn immer mehr anheizt? Den letzten Teil erfährt er erst, wenn er persönlich erscheint.« »Eine Art Schatzsuche?« fragte Ogilvie und lachte. »Das ist es für ihn auch«, sagte Miller ruhig. »Dazu kann ich nur nein sagen.« Ogilvie lehnte sich vor, die Ellbogen auf den Tisch gestützt. »Ein solches Vorgehen setzt absolute Glaubwürdigkeit voraus, und je besser der Mann draußen ist, desto größer muß die Glaubwürdigkeit sein. Außerdem ist dieses Verfahren kompliziert. Havelock wird Mittelsleute einschalten. Er wird den Spieß umkehren, indem er ihnen Fragen mit auf den Weg gibt, die sie auf der Stelle beantwortet haben wollen. Nicht, daß er mit perfekten Antworten rechnet; wenn er die bekäme, würde er noch argwöhnischer werden, aber er wird sich auf sein >Bauchgefühl< verlassen, wie wir das nennen. Das kann man nicht näher beschreiben; es ist einfach ein Gefühl für Glaubwürdigkeit. Es gibt nicht so viele gute Leute, die der Reihe nach Havelock täuschen könnten. Ein einziger nennenswerter Fehltritt, und er wendet sich von uns ab.« »Und läßt die Bombe pla tzen«, ergänzte Miller. »Ich verstehe«, sagte Stern.
Dies war einer jener Augenblicke, in denen der ungepflegt wirkende, reizbare Ogilvie wieder einmal unter Beweis stellte, was er wert war. Als ehemaliger Agent
Weitere Kostenlose Bücher