Das Parsifal-Mosaik
»Pauls Job ist mir nicht allzusehr vertraut, aber ich glaube zu wissen, was Red durch den Kopf geht. Meiner Ansicht nach ist er innerlich tief aufgewühlt. Er hat miterlebt, wie seine Freunde draußen starben - von Afrika bis Istanbul. Er hat gelitten, als jene Frau ihn mit drei Kindern wegen seiner Arbeit verließ. Die Kinder hat er seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Jetzt muß er mit dem leben, was er hat ... an dem sterben, was er hat. Wenn man alles betrachtet, könnte man fragen, wenn ein Mann wie er auf der geraden Bahn bleibt, was gibt dann eigentlich Havelock das Privileg, durchzudrehen. Unser Apatsche ist auf seiner letzten Jagd, stellt seine letzte Falle. Er wird dafür sorgen, daß sie zuklappt, weil er zornig ist.«
»Gewiß«, sagte der Psychiater. »Ihm bleibt nichts anderes. Das ist seine letzte Rechtfertigung.«
»Wofür?« fragte der Anwalt.
»Für seinen Schmerz«, antwortete Miller. »Und den von Havelock. Verstehen Sie, er hat ihn einst sehr respektiert. Das kann er nicht vergessen.«
8
Die Düsenmaschine ohne Hoheitskennzeichen stieß sechzig Kilometer nördlich des Flughafens von Palombara durch die dichte Wolkenschicht. Sie war in Brüssel gestartet und hatte auf ihrem Kurs die militärischen und kommerziellen Luftrouten gemieden. Dank ihrer extremen Flughöhe und dem blitzartigen Landemanöver war die Wahrscheinlichkeit einer Beobachtung praktisch Null. Für das kurze Auftauchen auf den Radarschirmen hatte man vorgesorgt. Es würde keine Untersuchungen zur Folge haben. Und nach der Landung in Palombara sollte ein Mann der Maschine entsteigen, der um drei Uhr früh unter strikter Geheimhaltung in Brüssel an Bord gegangen war.
Ein Mann ohne richtigen Namen, den man nur den »Apatschen« nannte. Dieser Mann konnte wie viele seinesgleichen die üblichen Paßformalitäten nicht riskieren. Zwar war es möglich, das Aussehen eines Menschen oder seinen Namen zu ändern, aber bei der Grenzpolizei gab es Beamte, die genau wußten, wonach sie Ausschau halten mußten, und zudem mit einem computerhaften Personengedächtnis ausgestattet waren. Zu oft hatten sie Erfolg. Für den Apatschen war die gegenwärtige Art zu reisen die Norm. Der Pilot drosselte die Schubkraft der Motoren und lenkte seine Maschine in einer langgezogenen Kurve über die Wälder. Der Landeplatz war eine etwa eine Meile lange Schneise. Die Wartungshangars und der Tower standen etwas abseits, seltsame und doch kaum sichtbare Fremdkörper in der Landschaft.
Jetzt war das Landemanöver beendet; der junge Pilot drehte sich in seinem Sessel herum, als der Gegenschub der Maschine die kleine Kabine erzittern ließ. Er hob die Stimme, um sich in dem Lärm Gehör zu verschaffen, und sprach den rothaarigen Mann in mittleren Jahren hinter sich an.
»Da wären wir, Indianer. Jetzt können Sie Pfeil und Bogen nehmen und sich auf den Kriegspfad begeben. Manitou möge Ihne n helfen.«
»Spaßvogel«, erwiderte Ogilvie und schnallte sich los. Er sah auf die Uhr. »Welche Zeit haben wir hier? Meine Uhr ist immer noch auf Washingtoner Zeit gestellt.«
»Drei Minuten vor sechs. Sie haben sechs Stunden verloren. Für Sie ist jetzt Mitternacht, aber hier ist bereits Morgen. Wenn man Sie im Büro erwartet, hoffe ich, daß Sie ein wenig schlafen konnten.«
»Es reicht. Ist für die Fahrt gesorgt?«
»Bis zum Wigwam des Großen Häuptlings an der Via Vittorio.«
»Sehr komisch. Ist dort die Botschaft?«
»Richtig. Sie sind ein Spezialpaket. Lieferung garantiert ab Brüssel.«
»Das ist falsch. Die Botschaft kommt nicht mehr in Frage.«
»Wir haben unsere Anweisungen.«
»Dann erteile ich jetzt neue.«
Im Hauptgebäude des Flughafens, der auf keiner Karte verzeichne t war, betrat Ogilvie das kleine Büro, zu dem nur Männer wie er Zutritt hatten. Der Raum hatte keine Fenster und war einfach möbliert. Die zwei Telefone waren ständig mit elektronischen Zerhackersystemen gekoppelt. Der Korridor, der zum Büro führte, wurde von drei Männern bewacht, die unauffällige Overalls trugen. Aber unter dem khakifarbenen Stoff verbarg jeder eine Waffe, bereit, von ihr Gebrauch zu machen, falls sich irgendwelche unbekannten Personen dem ankommenden Passagier nähern oder gar eine Kamera zücken sollten. Diese Vorkehrungen waren das Ergebnis außerplanmäßiger Konferenzen zwischen unbekannten Vertretern beider Regierungen, deren Aufgabengebiet weit über die offiziellen Geheimdiensttätigkeiten hinausging. Überall auf der Welt wurden Regierunge n
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