Das Parsifal-Mosaik
Borghese führten. Der ehemalige Agent - der jetzt wieder einer war - sah auf die Uhr, und auf sein von tiefen Furchen durchzogenes Gesicht legten sich weitere Falten -vor Ärger. Es war beinahe zwanzig Minuten vor neun; der Beamte von der Heeresabwehr hatte sich schon um mehr als eine halbe Stunde verspätet, Oglivies Verstimmtheit richtete sich ebenso sehr gegen sich selbst wie auf Baylor-Brown. In seiner Hast, einen Besuch in der Botschaft zu verhindern und klarzustellen, daß er und niemand sonst das Sagen hatte, hatte er sich einen schlechten Treffpunkt ausgewählt, wie er jetzt merkte. Dem Colonel würde das auch klarwerden, sobald er darüber nachdachte; vielleicht war dies der Grund, weshalb er sich verspätete. Die Villa Borghese war um diese Stunde zu wenig besucht und besaß zu viele dunkle Winkel, von denen aus ein etwaiger Verfolger jeden Schritt beobachten und jedes Wort mit hochempfindlichen Mikrofonen mithören konnte. Ogilvie verfluchte sich insgeheim, das war keine überzeugende Art, seine Autorität zu bestätigen. Der Attaché ha tte wahrscheinlich eine komplizierte Route gewählt und einige Male die Fahrzeuge gewechselt, in der Hoffnung, mögliche Verfolger auf diese Weise abzuschütteln. Auf die Botschaft waren tatsächlich KGB-Kameras gerichtet, und der unfreundliche Mann aus Washington mit dem rätselhaften Namen Apatsche hatte den Colonel wirklich in eine schwierige Situation gebracht. Vor sieben Jahren hatten zwei Geheimagenten mit den Decknamen Apatsche und Navajo in Istanbul fast ihr Leben verloren, als sie auf der Mesrutiyet einen KGB-Mord zu verhindern versucht hatten. Ihr Vorhaben war gescheitert. Dabei war Navajo um vier Uhr morgens auf der verlassenen Atatürk-Straße in die Falle gegangen, als plötzlich an beiden Enden Killerkommandos des KGB auftauchten. Die Situation war aussichtslos, bis Apatsche in einem gestohlenen Wagen über die Brücke gerast kam, auf dem Bürgersteig mit quietschenden Reifen stoppte und seinem Kollegen zurief, er solle einsteigen oder sich den Kopf abschießen lassen. Dann war Ogilvie durch einen Kugelhage l gerast und hatte sich einen Streifschuß an der Schläfe und zwei Steckschüsse in der rechten Hand zugezogen, während er durch die Barrikaden brach. Der Mann, der vor sieben Jahren den Tarnnamen Navajo getragen hatte, konnte Apatsche nicht ohne weiteres ve rgessen. Ohne ihn wäre Michael Havelock in Istanbul getötet worden. Darauf baute Ogilvie. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich; er fuhr herum. Eine schwarze Hand hob sich vor ihm, das dunkle Gesicht hinter der Hand war unbewegt, geweitete Augen starrten ihn an. Baylor-Brown schüttelte zweimal lautlos den Kopf und legte den Zeigefinger an die Lippen. Nachdem er Ogilvie hinter die Eiche gezogen hatte, wies er zum südlich Teil des Gartens. Vierzig Meter entfernt sah sich ein Mann im dunklen Anzug um, sein Gesichtsausdruck wirkte gehetzt, unschlüssig. Zuerst bewegte er sich in die eine Richtung, dann in die andere. In der Ferne war dreimal hintereinander der Ton einer Autohupe zu hören, dann heulte ein Motor auf; der Mann im dunklen Anzug schrak zusammen. Er blieb stehen und fing an, in die Richtung zu rennen, aus der die Geräusche kamen. Jetzt verschwand er hinter der Ostmauer der Villa Borghese. »Das ist wirklich ein blöder Ort«, sagte der Colonel und sah auf die Uhr.
»War das Ihre Hupe?« fragte Ogilvie.
»Der Wagen parkt an den Veneto-Toren. Das war nahe genug, um etwas zu hören; darauf kam es an.«
»Tut mir leid«, sagte der ehemalige Agent leise. »Mein letzter Einsatz ist lange her. Normalerweise mache ich keine solchen Fehler. Früher waren immer viele Le ute im Park.«
»Schon gut. Ich bin gar nicht mal sicher, daß es ein Fehler war.« »Hören Sie auf mit den Nadelstichen.«
»Sie verstehen nicht, worauf ich hinauswill. Ihre Gefühle sind mir gleichgültig. Ich meine, ich bin bisher nie vom KGB beobachtet worden - nicht, daß ich davon wüßte. Warum also jetzt?« Ogilvie lächelte; er hatte die Situation wieder im Griff. »Sie haben Spürhunde ausgeschickt. Ich glaube, das erwähnte ich.« Der farbige Offizier blieb stumm, seine dunklen Augen blickten nachdenklich. »Dann bin ich in Rom erledigt«, sagte er schließlich. »Vielleicht.«
»Nicht vielleicht. Ganz sicher. Deshalb habe ich mich verspätet.«
»Er hat Sie erreicht.« Der rothaarige Agent sprach die Worte mit weicher Stimme.
»Er hat alle seine Geschütze aufgefahren, und ic h bin der erste, der
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