Das Parsifal-Mosaik
verteidigen, die er in den sechzehn Jahren im Außendienst gelernt hat. Von nun an wird er völlig rücksichtslos sein, weil man ihn tatsächlich verraten hat.« Der Psychiater sah Stern an. »Da haben Sie Ihre Antwort, Daniel ... falls das Ganze Substanz hat. Seltsamerweise ist er jetzt in seine Jugendzeit zurückversetzt - die Maschinengewehre, Lidice, der Verrat. Er läuft durch die Straßen und überlegt sich, wer in der Menschenmenge wohl der Henker sein mag.«
Das rote Telefon auf dem kleinen niedrigen Tischchen neben Stern gab einen scharfen, durchdringenden Ton von sich. Der Direktor griff nach dem Hörer, ohne einen Blick von Miller zu wenden. »Ja?« In den nächsten dreißig Sekunden ließ Stern nur hin und wieder ein zustimmendes Brummen vernehmen, während er zuhörte und auf die Notizen des Psychiaters starrte. »Bleiben Sie am Apparat«, sagte er schließlich und legte den Schalter um. »Das ist Rom. Sie haben einen Mann in Civitavecchia gefunden; den Namen eines Schiffes. Es könnte das Mädchen sein. Oder ein sowjetisches Täuschungsmanöver. Das wäre durchaus möglich. Das war Browns Theorie, er hält immer noch an ihr fest ... Der ursprüngliche Befehl bleibt bestehen. Wir müssen Havelock fassen, aber nicht erledigen. Und jetzt muß ich Sie etwas fragen, ganz besonders Sie, Paul. Ich weiß, daß Sie nichts von absoluten Aussagen halten.« »Das ist die einzige absolute Aussage, die ich gelten lasse.« »Wir sind von der Annahme ausgegangen, daß wir es mit einem Mann zu tun haben, der aus dem Gleichgewicht geraten ist, dessen Verfolgungswahn ihn dazu zwingen könnte, Dokumente oder Beichte über frühere Operationen irgendwo zu deponieren und sie nach einem Hinweis irgendwelchen Dritten freizugeben. Ist das richtig?«
»Im Prinzip, ja. So würde ein Schizophrener vorgehen, wobei ihn ebenso die Möglichkeit zur Rache befriedigt wie die Drohung selbst Bedenken Sie bitte, daß die in Frage kommenden Dritten ohne Zweifel recht unerwünschte Elemente wären. Es handelt sich um ein zwanghaftes Verhalten, über das er keine Kontrolle hat. Er kann nie und nimmer gewinnen, nur die Vergeltung suchen, und darin liegt die Gefahr.«
»Würde sich ein Mensch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte auf ein solches Spiel einlassen?«
Der Psychiater überlegte einen Augenblick und griff sich dabei unwillkürlich an die Brille. »Nicht auf dieselbe Weise.« »Wie meinen Sie das?« »Würden Sie es tun?« »Bitte, Paul!«
»Nein, ich meine das ganz ernst. Sie würde die Drohung viel mehr beschäftigen als die Rache. Sie wollen etwas; vielleicht spielt später auch Rache mit, aber das ist es nicht, was Sie im Augenblick beschäftigt. Sie wollen eine Antwort. Drohungen können dazu führen, daß Sie diese Antwort bekommen, aber wenn Sie riskierten, höchst suspekten Leuten brisante Informationen in die Hände zu spielen, würde das Ihre eigene Absicht durchkreuzen.« »Was würde denn ein normaler Mensch tun?« »Er würde wahrscheinlich denjenigen, die er bedroht, einen Hinweis zuspielen, was für Informationen er preiszugeben gedenkt. Und dann würde er an qualifizierte Dritte herantreten -Journalisten vielleicht oder Männer und Frauen, die an der Spitze von Organisationen stehen, die ganz offen Geheimdienstpraktiken anprangern. Und mit ihnen würde er sich arrangieren. So würde ein normal zurechnungsfähiger Mann vorgehen.«
»Es gibt keinerlei Beweise, daß Havelock etwas von der Art getan hat.« »Die Sache auf dem Palatin liegt auch nur drei Tage zurück. Er hatte bislang keine Zeit, solche Dinge zu arrangieren.« »Und das alles hängen Sie an diesen Streichhölzern auf. Nach Ihrer Meinung ist er ge i stig gesund, nicht wahr?«
»Ja, das glaube ich, und darauf wette ich. Ich hatte ihn als Psychopathen eingestuft - basierend auf dem, was wir an Fakten hatten -, und jetzt frage ich mich, ob wir uns da nicht gewaltig irren.« »Wir sollten also akzeptieren, daß wir es mit einem Gesunden zu tun haben. Wie Sie schon sagten, er wird völlig rücksichtslos sein, viel gefährlicher als ein Schizophrener.«
»Ja«, sagte der Psychiater. »Von einem Mann, der aus dem Gleichgewicht geraten ist, kann man sich distanzieren; ge gen Erpresser gibt es Mittel ... und wir sollten bedenken, daß seit der Operation an der Costa Brava keine Erpresser an uns herangetreten sind. Aber legitime Interessen, und wären sie noch so fehlgeleitet, könnten außerordentlichen Schaden anrichten.«
»Wir würden Agenten verlieren,
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