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Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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dann? Oder wenn sie noch lebte und man sie nicht finden oder dingfest machen konnte, würde Mikhail Havlicek, Opfer, Überlebender von Lidice, dann auf sie hören? Oder würde er den Verrat dort vermuten, wo gar keiner war? Konnte man den Aufschub damit rechtfertigen? Wohl kaum, wenn man an die Agenten dachte, die seinetwegen in Rußland auffliegen würden. Und wenn dies die Antwort war, dann lag die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit nahe, daß ein Mann sterben müßte, weil er recht hatte. Das war die ehrliche Antwort. Die Statistiken sprachen dafür. Aber dies gehörte zum Machtbereich von Anthony Matthias. Würden sie es hier auch so sehen? ... Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, das wußte Stern. Die Angst würde den Staatssekretär, mit dem er gesprochen hatte, dazu veranlassen, Matthias zu erreichen, und der Außenminister würde zögern.
    Und der Mensch Daniel Stern - nicht der Funktionär - hatte Verständnis dafür. Ein Mann durfte nicht sterben, nur weil er recht hatte, weil er zurechnungsfähig war. Und doch hatte er sich beruflich abgesichert. Er wüßte schon seinen Tod zu rechtfertigen, falls es dazu kommen sollte.
    Und in einer Beziehung hatte er Glück gehabt, dachte er, als er zur Tür seines Vorzimmers ging. Das Problem hätte er keinem faireren, klügeren Mann vorlegen können als Arthur Pierce, dem Staatssekretär. Er war nicht jeden Tag in Washington, sondern häufiger in New York, wo er bei den Vereinten Nationen Leiter des Verbindungsstabs zwischen dem Botschafter und dem State Department war, eine Position, die Anthony Matthias geschaffen hatte, der wußte, was er tat. Nach angemessener Zeit würde Arthur Pierce zum UN-Botschafter ernannt werden und damit nicht nur für seine hervorragende Intelligenz, sondern auch für seine Anständigkeit belohnt werden.
    Und Anstand war jetzt, weiß Gott, gefragt ... Aber war das wirklich so? fragte sich Stern und erschrak bei dem Gedanken. Die einzige Moral hier ist eine pragmatische Moral ...
    Egal das lag nicht mehr in seiner Hand, dachte Stern weiter, als er die Tür zum Vorzimmer öffnete. Die Entscheidung, die getroffen und unter dem Decknamen >Ambiguity< nach Rom telegrafiert werden mußte, hatte jetzt Pierce zu verantworten. Der stille, intelligente, verständnisvolle Arthur Pierce - nach Mikhail Havlicek vielleicht derjenige, der Matthias am nächsten stand - würde alle Aspekte bedenken und dann andere hinzuziehen. Ein Ausschuß würde die Entscheidung treffen, wenn sie getroffen werden mußte. »Mr. Stern?« rief die Sekretärin, als er an ihr vorbei zum Lift ging. »Ja?«
    »Eine Mitteilung für Sie, Sir.«
    Daniel. Ich bin eine Weile in meinem Büro. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie auf einen Drink vorbei. Ich fahr' Sie nach Hause. Dawson hatte nicht unterschrieben, das war auch nicht notwendig. Der umsichtige, häufig abwesend wirkende Anwalt schien immer zu wissen, wann die Zeit für ein ruhiges Gespräch gekommen war; das war die zugänglichere Seite seines Wesens. Beide waren kühle, analytisch denkende Männer, die dann und wann den Zuspruch des anderen brauchten. Das Angebot, ihn nach Hause zu fahren, bezog sich auf Sterns Abneigung für den Washingtoner Verkehr. Er benutzte immer nur Taxis, sehr zum Verdruß seiner persönlichen Leibwächter. Nun, dann sollte sein augenb licklicher Begleitschutz eben eine kleine Pause machen und ihn am nächsten Morgen zu Hause in Virginia abholen. Stern sah auf die Uhr; es war zwanzig Minuten nach sieben; er wußte, daß der Anwalt noch in seinem Büro sein und auf das Gespräch warten würde.
    Sie redeten über eine Stunde, ehe sie zu Dawsons Wagen hinuntergingen, und analysierten die Ereignisse an der Costa Brava immer wieder. Dabei mußten sie erkennen, daß es keine überzeugende Erklärung gab, keine ihnen zugängliche Lösung. Sie hatten beide ihre Frauen benachrichtigt; beide waren die endlosen Überstunden gewohnt, die der Job ihren Männern abverlangte. Beide gaben vor Verständnis dafür zu haben. In Wirklichkeit aber empfanden sie den beruflichen Streß als schwere Belastung für ihre Ehe. Eines Tages würde das alles ein Ende haben. Jenseits des Potomac gab es eine weit gesündere Welt als die, in der beide Männer seit allzu vielen Jahren lebten.
    »Pierce wird zu Matthias gehen, und Matthias wird das nicht glauben, das ist Ihnen doch klar, oder?« sagte Dawson und bog von dem überfüllten Highway auf eine Landstraße in Virginia ab, wo beleuchtete Schilder eine Baustelle ankündigten.

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