Das Parsifal-Mosaik
Informationen, Quellen. Jahrelange Arbeit wäre umsonst ...«, ergänzte Stern und griff zum Telefon.
»Und wenn er tatsächlich gesund ist«, unterbrach ihn Dawson mit scharfer Stimme, »wenn es wirklich dieses Mädchen ist, deutet das doch auf ein viel tiefergehendes Problem, nicht wahr? Ihre Schuld, ihr Tod, alles in Frage gestellt. Die unwiderlegbare Information, die durch zig Siebe gefiltert wurde, sieht plötzlich wie ein massives Täuschungsmanöver aus, und das an einer Stelle, wo es keine Täuschung geben dürfte. Das sind die Antworten, die Havelock will.« »Wir kennen die Fragen«, erwiderte Stern leise, die Hand immer noch am Telefonschalter, »und wir können ihm die Antworten nicht geben. Wir können ihn nur daran hindern, Schaden anzurichten.« Stern verstummte einen Augenblick und sah unverwandt das Telefon an. »Als wir dieses Zimmer betraten, war das uns allen klar. Hier geht es nicht um Moral, sondern um ganz pragmatische Dinge.« »Wenn Sie ihn für unrettbar halten«, fuhr der Anwalt leise, aber eindringlich fort, »kann ich Sie nicht unterstützen. Und zwar nicht aus ethischen Motiven, sondern aus sehr praktischen Erwägungen.« Stern blickte auf. »Und die wären?«
»Wir brauchen ihn, um dem zweiten, tieferen Problem auf die Spur zu kommen. Wenn er nicht krank ist, gibt es eine Möglichkeit, die wir noch nicht ausprobiert haben, eine Möglichkeit, daß er auf uns hört. Wie Sie schon sagten, wir haben unterstellt, daß er aus dem Gleichgewicht geraten ist; das war die einzige vernünftige Annahme, die uns zur Verfügung stand. Aber wenn das nicht zutrifft, hört er vielleicht auf die Wahrheit.« »Welche Wahrheit?«
»Ganz einfach die, daß wir nichts wissen. Gestehen wir ihm doch zu, daß er die Karras wirklich gesehen hat, daß sie lebt.
Und dann sagen wir ihm, daß wir genauso an der Aufklärung interessiert sind wie er. Vielleicht sogar noch mehr.« »Angenommen, wir können ihm das übermitteln, und er hört nicht auf uns, sondern verlangt nur die Antworten, die wir nicht geben können, und hält alles andere für einen Trick, um ihn in unsere Hände zu bekommen oder ihn zu beseitigen - was dann? Wir haben die Costa-Brava-Akten; in ihnen stehen die Namen aller Beteiligten, Kann er uns denn wirklich helfen? Andererseits wissen wir, welchen Schaden er anzurichten vermag, wie viele Menschenleben er kosten kann. Man wird sich alle Mühe geben, dem ursprünglichen Befehl Folge zu leisten, ihn lebend hierher zu schaffen. Aber die Möglichkeit, anders zu entscheiden, muß man ihnen lassen.«
»Damit erklären Sie zugleich, daß er ein Verräter ist. Dann werden die ihn auf die geringste Provokation hin töten. Ich wiederhole: Ich kann Sie nicht unterstützen.«
Der Direktor blickte langsam zu dem Anwalt auf, seine müden Augen waren von Zweifel erfüllt. »Wenn wir so weit auseinander sind, dann ist es Zeit«, sagte er ruhig. »Zeit wofür?« fragte Miller.
»Um nach oben zu gehen. Die Angelegenheit Matthias' Büro zu übergeben. Ich werde selbst hinaufgehen und berichten.« Stern legte den Schalter am Telefon um. »Rom? Tut mir leid, daß ich Sie warten ließ. Ich fürchte, es wird noch schlimmer werden. Halten Sie das Schiff unter Luftüberwachung, und schicken Sie Ihre Leute zum Col des Moulinets, sie sollen ihre Radiofrequenz auf Zerhacker schalten und Instruktionen abwarten. Wenn sie Ihre Befehle nicht bis zur Landung bekommen, sollen sie alle fünfzehn Minuten bei Ihnen rückfragen. Wir setzen uns so bald wie möglich mit Ihnen wieder in Verbindung, entweder ich oder jemand weiter oben. Wenn ich es nicht bin, lautet der Erkennungscode >Ambiguity<. Haben Sie das? >Ambiguity<. Das ist alles, Rom.« Stern legte den Hörer auf, kippte den Schalter um und erhob sich. »Ich tue das höchst ungern ... besonders in diesem Augenblick«, sagte er. »Wir müssen tausend Augen haben, die alles sehen, alles wissen. Andere planen oder führen aus. Aber wir sind es, die die Entscheidungen treffen. Das ist unsere Funktion, verdammt.«
»Das ist nicht das erste Mal, daß wir Hilfe brauchen«, sagte der Psychiater.
»Nur in taktischen Fragen, die Ogilvie nicht lösen konnte; nie wenn es um die Beurteilung der Lage ging«, erwiderte Stern. »Sollen wir mitkommen?« fragte Miller. »Nein, ich werde schon eine faire Darstellung liefern.« »Daran habe ich nie gezweifelt«, meinte der Anwalt. »Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Uhr«, fuhr Stern fort. »Je weniger wir sind, desto weniger
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