Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Parsifal-Mosaik

Titel: Das Parsifal-Mosaik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
Fragen werden gestellt. Im übrigen gibt es ja ohnehin nur eine Frage, auf die es ankommt: zurechnungsfähig oder nicht? Noch zu retten oder nicht?« Als Stern den Raum verlassen hatte, war auf den Gesichtern der beiden Strategen ein Gefühl von Erleichterung zu erkennen. »Ist Ihnen eigentlich klar«, meinte Miller und drehte sich in seinem Stuhl herum, »daß zum erstenmal seit drei Jahren der Satz >ich kann Sie nicht unterstützen< fiel? Nicht nur >das glaube ich nicht< oder >da bin ich anderer Ansicht<, sondern >ich kann Sie nicht unterstützend« »Das konnte ich auch nicht«, sagte Dawson. »Daniel ist ein Statistiker. Er sieht nur Zahlen und Summen, und daraus ergeben sich für ihn die Chancen. Er macht das, weiß Go tt, auf brillante Weise; mit diesen Statistiken hat er Hunderten das Leben gerettet. Aber ich bin Anwalt; ich sehe Komplikationen, sehe Anklagevertreter, die gelähmt sind, weil das Gesetz sie daran hindert, ein Beweisstück mit einem andern in Verbindung zu bringen, obwohl das eigentlich zulässig sein müßte; Verbrecher, die über winzige Diskrepanzen im Beweismaterial empört sind, wo das einzig Empörende doch die Verbrechen sind. All das habe ich erlebt, Paul, und es gibt Zeiten, wo die Chancen einfach nicht aus den Zahlen hervorgehen, sondern aus Dingen, die man im Augenblick nicht wahrnehmen kann.« »Seltsam, nicht wahr? Die Unterschiede zwischen uns, meine ich. Daniel sieht Zahlen, Sie sehen Komplikationen, und ich erkenne Verhaltensmuster, die mir Winzigkeiten verraten.« »Sie denken an das Streichholzbriefchen?«
    »Ja.« Der Psychiater blickte dem Anwalt in die Augen. »Ich glaube an diese Streichhölzer. Ich glaube an das, was wir aus ihnen herausgelesen haben.«
    »Ich auch. Zumindest an die Möglichkeit, daß es so sein könnte. Das ist ja die Komplikation, >Boß< - wie Ogilvie sagen würde. Wenn Havelock tatsächlich voll zurechnungsfähig ist, dann ist alles, was er sagt, wahr. Dann müssen die Beweisstücke, die die Schuld der Frau untermauern, in unseren Labors gefälscht worden sein. Das Mädchen lebt und ist auf der Flucht. Rostow in Athen - ein Köder, der aus unbekannten Gründen nicht in die Lubjanka geschafft wurde ... lauter Rätsel, Doktor. Wir brauchen Michael Havelock, damit er uns hilft, dieses Geflecht zu entwirren. Wenn es geschehen ist - was auch immer es sein mag -, macht es mir angst.« Dawson schob abrupt seinen Sessel zurück und stand auf. »Ich muß ins Büro zurück. Ich werde eine Nachricht für Stern hinterlassen; vielleicht will er rüberkommen und reden. Wie steht es mit Ihnen?« »Was? O nein, danke«, antwortete Miller geistesabwesend. »Ich habe um halb sechs einen Termin im Marinekrankenhaus Bethesda.«
    Der Psychiater blickte auf. »Es ist wirklich beängstigend, nicht wahr?«
    »Ja, Paul, sehr.«
    »Wir haben das Richtige getan. Niemand in Matthias' Abteilung wird entscheiden, daß Mikhail Havlicek abgeschrieben ist.« «Ich weiß. Ich habe darauf gebaut.«
    Stern, der Operationsleiter, verließ das Büro im vierten Stock des Außenministeriums und schloß die Tür leise und fest hinter sich. Nur ruhte die Verantwortung auf mehreren Schultern. Der Mann, der sie nun mit ihm trug und unter der Codebezeichnung >Ambiguity< mit Rom Verbindung aufnehmen und die Entscheidung treffen würde, war sorgfältig ausgewählt. Er gehörte zu Matthias' engsten Vertrauten. Er würde alle Alternativen durchdenken, ehe er die Entscheidung traf - ohne Zweifel nicht allein. Der Fall war eindeutig: Wenn Havelock zurechnungsfähig war und die Wahrheit sprach, war er imstande, außergewöhnlichen Schaden anzurichten, weil man ihn verraten hatte. Dann mußten seine Verräter hier in Washington zu finden sein und eine Verschwörung unvorstellbaren Ausmaßes inszeniert haben. Sollte man ihn also sofort für vogelfrei erklären, auf daß sein Tod den großen Schaden verhinderte, den er dem CIA in ganz Europa zufügen konnte? Oder sollte man den Befehl für seine Exekution aufschieben, in der Hoffnung, etwas könnte geschehen, das einen Mann wieder versöhnte, der ein unschuldiges Opfer in den Augen jener war, die ihn nie verraten würden?
    Am Col des Moulinets war die Chance, die Frau zu finden und sie Havelock zu bringen, sich mit ihm zu verbünden. Aber wenn es nicht Jenna Karras war, sondern das Ganze ein sowjetisches Intrigenspiel, wenn sie nur mehr als eine tödliche Marionette existierte, dazu bestimmt, einen Mann in den Wahnsinn und in den Verrat zu treiben - was

Weitere Kostenlose Bücher