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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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lächerlich. Er war bei Georgia. Sie war nun in Sicherheit. Alles würde wieder in Ordnung kommen, wenn sie die Fahrt nur fortsetzen konnten.
    Warne wandte sich um, um es den Männern auf der Plattform zu erklären. Dann aber stellte er fest, dass er seine Worte nicht hörte. Er hörte überhaupt nichts - außer dem plötzlichen schroffen Geräusch einer Detonation, die aus allen Richtungen zugleich zu kommen schien.
    Über ihm flackerte Licht. Als er den Kopf hob, sah er gerade noch zwei riesige rotgelbe Flammenstrahlen, die auf ihn zu rasten. Einen Moment lang erhaschte er in der blendenden Helligkeit einen Blick auf den geheimen Aufbau des Fahrgeschäfts - den sich erweiternden Glaskegel, die Mittelnabe mit den regenschirmartigen Stützspeichen -, doch dann überlastete das grelle, vom Endlosspiegel vergrößerte Leuchten seine Sehkraft. Warne riss den Kopf herum und schloss die Augen. Auf der Plattform wurden Schreie laut. Die Kapsel ruckte plötzlich zur Seite. Der schreckliche Lärm verstummte und wurde durch das Krachen und Kreischen sich verbiegenden Metalls ersetzt.
    »Papa!«, schrie Georgia.
    Da beugte er sich in einem plötzlichen, krampfhaften Instinkt vor und schirmte seine Tochter mit dem Körper ab. Die Kapsel ruckte erneut, so heftig, dass sie Übelkeit erzeugte. Dann hüllte die Finsternis sie abrupt ein.
     
    14:40 Uhr
    Das medizinische Zentrum Utopias befand sich auf der A- Ebene, genau unter dem Nexus. Man hatte es so konstruiert, dass man es im Falle eines Unglücks oder einer Naturkatastrophe aus jeder Parkgegend, sei sie öffentlich oder nicht öffentlich, in kürzester Zeit erreichen konnte. Außerdem verfügte es über genug Notausrüstung, um ein Traumazentrum von Weltruf neidisch zu machen: Atemschutzgeräte, Ventilatoren, Defibrillatoren, Intubiergeräte, Überwachungssysteme, Transportwägelchen. Der größte Teil der teuren Gerätschaften stand still und unbenutzt in abgedunkelten Nischen und Lagerräumen: lebensrettende Kunstgegenstände, die in einer nicht sterilen Umgebung Staub angesetzt hätten. In den aufgewühlten Meeren Utopias war das medizinische Zentrum stets eine Insel der Ruhe gewesen: Krankenschwestern behandelten mit sanfter Stimme schon mal aufgeschrammte Knie oder verstauchte Knöchel; Hilfspfleger räumten Material ein; Techniker prüften vorschriftsmäßig Geräte, die nur selten zum Einsatz kamen.
    Doch nun hatte sich das medizinische Zentrum in ein hektisches Chaos verwandelt. Schmerzensschreie mischten sich misstönend mit Rufen nach Plasma. Sanitäter flitzten von einem Raum zum anderen. Hilfskräfte, die normalerweise Medikamente verwalteten, schoben Geräte von einem OP in den anderen. In den Wartezimmern drängten sich Menschen, kauerten sich um schluchzende Gestalten oder fläzten sich auf Stühlen und schauten mit leerem Blick zur Decke hinauf.
    Warne zog den hellblauen Vorhang um seine Erholungsnische, denn er wollte den Lärm so weit wie möglich dämpfen. Als er die Ringe an der Stange entlangzog, pochte seine linke Schulter. Er wandte sich wieder dem Bett zu und sah sein Gesicht im Spiegel über dem kleinen Waschbecken: Die Züge waren angespannt, seine Augen lagen tief in den Höhlen. Um seine Stirn spannte sich ein Gazeverband; er war dunkel von trocknendem Blut. Irgendwie sah er wie ein Pirat aus.
    Georgia lag im Bett. Sie atmete langsam und regelmäßig.
    Ihre Augen unter den pergamentenen Lidern waren unbeweglich. In einer Hand hielt sie ihren Mediaplayer. Dort, wo sie sich an Warne gekrallt hatte, schmerzte sein Arm noch immer. Georgia hatte ihn keine Sekunde losgelassen; auch dann nicht, als das Rettungsteam sie auf einer Trage aus dem beschädigten Fahrgeschäft geholt hatte. Nicht mal dann, als der Elektrokarren sie hinter den Kulissen durch Gänge zum medizinischen Zentrum gefahren hatte.
    Jetzt gingen ihre Lider flatternd auf. Sie schaute ihn an.
    »Wie geht's dir?«, fragte Warne leise.
    »Bin müde.«
    »Das liegt am Demerol. An der Spritze, die der Arzt dir gegeben hat. Du wirst ne Weile flachliegen.«
    »Hmm.« Georgia schloss die Augen. Warne schaute sie an, musterte die hässliche Schramme auf ihrer Wange. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr Haar.
    »Danke, dass du gekommen bist, um mich abzuholen. Aus der Kapsel, mein ich.«
    »Schlaf gut, Georgia«, erwiderte er.
    Georgia bewegte sich unter der Decke. »Du hast ja gar nicht Prinzesschen gesagt«, murmelte sie.
    »Ich dachte, du hörst es nicht so gern.«
    »Tu ich auch nicht.

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