Das Patent
hinwegzutäuschen. Ein Großbildfernseher stand ganz in der Nähe in einer Ecke; er war auf einen internen Kanal eingestellt. Warne entdeckte Sarah Boatwright. Sie war neben einem Sessel in die Hocke gegangen und sprach konzentriert mit einem Mann, der im Sessel saß und der Tür den Rücken zuwandte. Als sie Warne bemerkte, unterbrach sie das Gespräch und richtete sich abrupt auf. Ihre Lippen bildeten eine dünne Linie. Sie sah ganz anders aus als sonst.
»Was ist denn?« Warne ging rasch zu ihr hin. »Wo ist Georgia?«
»Gott sei Dank, du bist gesund! Georgia geht es gut. Dr. Finch kümmert sich persönlich um sie. Er sagt, sie schläft mindestens noch eine Stunde.« Sie schaute zu Allocco.
»Was ist denn?«, wiederholte Warne.
»Drew, kannst du dich daran erinnern, heute Morgen einen Norman Pepper kennen gelernt zu haben?«
»Pepper?«, murmelte Warne. Der Name kam ihm bekannt vor. »Pepper... Ja, klar. Der Orchideenfachmann. Ich bin mit ihm in der Schwebebahn gekommen.«
»Er ist tot.«
»Tot?«, fragte Warne überrascht. »Wie das?« Wahrscheinlich ein Herzinfarkt, dachte er. Der Mann hatte fünfzig Pfund Übergewicht. Wahrscheinlich war er der Aufregung nicht gewachsen. Was für eine Tragödie! Der Bursche hat sich so gefreut, hier zu sein. Er hat auch erzählt, dass er Kinder hat. Wie schrecklich...
»Er wurde erschlagen.«
»Was?« Eine plötzliche Kälte durchrieselte Warne. Er schaute Sarah wortlos an.
»Mit einem schweren, stumpfen Gegenstand.« Alloccos ernste Stimme erfüllte den kleinen Raum. Er deutete mit dem Kopf auf den Sessel. »Dieser Herr hat ihn entdeckt. Er ist in den Salon für Experten von außerhalb gegangen, weil er glaubte, er bekäme hier ne Tasse Kakao. Stattdessen hat er Pepper gefunden.«
Der Mann im Sessel drehte sich um. Er war kahlköpfig, von unbedeutender Statur und trug einen winzigen Zahnbürstenschnauz. Eine dicke Brille mit runden Gläsern thronte auf seiner Nase. Er war noch bleicher als Sarah. Der noch immer verschreckte Warne brauchte eine Weile, um ihn zu erkennen: Es war Smythe, der Fachmann für Feuerwerke oder so was.
»Gott im Himmel«, murmelte Warne. Er sah Pepper vor seinem geistigen Auge. Er sah ihn vom Park schwärmen und sich auf fast theatralische Weise die Hände reiben.
»Warum hat man ihn umgebracht?«, fragte er.
»Das haben wir uns auch gefragt«, erwiderte Allocco.
»Jedenfalls am Anfang. Er wurde nicht ausgeraubt. Seine Brieftasche war noch in seiner Jackentasche. Sie war so in Blut getränkt, dass wir große Mühe hatten, etwas Entzifferbares zu finden, um wen es sich handelt. Deswegen haben wir den Identifikator von seinem Revers gelöst und ausgelesen.«
Im Raum breitete sich Stille aus.
»Und?«, fragte Warne.
Allocco blickte zu Sarah. Warne drehte sich stumm und fragend zu ihr um.
»Er hat deinen Identifikator getragen.«
»Meinen Identifikator?«, sagte Warne mit trockener, wie betäubt klingender Stimme. »Wie ist das möglich?« Im gleichen Moment fiel es ihm ein: Der temperamentvolle Pepper hatte in der Schwebebahn die kleinen weißen Umschläge zu Boden gefegt. Dann hatte er sie aufgehoben und ihm den seinen zurückgegeben.
»Unsere Identifikatoren wurden bei der Ankunft vertauscht«, sagte er. »Es kann nicht anders gewesen sein. Dann hat der Identifikator, den ich in >Finsterwasser< verloren habe, wohl Pepper gehört.«
Sarah trat einen Schritt auf ihn zu. »Ich weiß. Es ist eine schreckliche Sache.«
Eine schreckliche Sache ... Auch in diesem extremen Moment konnte Warne Peppers Bild nicht aus seinem Geist vertreiben. Es hätte auch mich treffen können. Es hat mich treffen sollen...
»Was werden Sie in dieser Sache unternehmen?«, fragte Poole.
»Das Einzige, was wir tun können. Wir lassen den Toten dort, wo er ist, und versiegeln den Salon. Und wir alarmieren die Polizei.« Sarah tauschte einen Blick mit Allocco. »Sobald wir es können.«
Jemand klopfte an die Tür. Allocco öffnete. Eine junge Frau in einem weißen Blazer trat ein. Sie trug eine riesige Teetasse, die sie Sarah reichte. Sarah bedankte sich murmelnd und bot Smythe die Tasse an, der jedoch mit einem kurzen, raschen Kopfschütteln ablehnte.
»Ihnen ist natürlich klar, dass Sie vorerst hier bleiben müssen«, sagte Allocco und drehte sich zu Warne um. »Oder im medizinischen Zentrum, bei Ihrer Tochter, falls Ihnen das lieber ist. Wir haben beide Bereiche abgeriegelt.«
Warne, der noch immer über Pepper nachdachte, kam nicht ganz mit. »Wie
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