Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
Vom Netzwerk:
Rücken an der Wand, seine bestiefelten Beine ruhten auf einer den Boden bedeckenden Filzunterlage. Zwischen seinen Knien ragte eine Pump-Action-Schrotflinte auf. Mensch und Knarre wiegten sich im gleichen Rhythmus und wurden von der schweren Aufhängung durchgeschüttelt.
    Im Führerhaus lenkte der Fahrer den Transporter eine Anhöhe hinauf. Über dem Armaturenbrett wirkten das Braun, Gelb und Grün der Hochwüste leicht unheimlich, da die Farben durch die kugelsichere Windschutzscheibe changierten.
    Der Fahrer setzte den Kopfhörer auf und sprach in ein Mikrofon. »Utopia-Zentrale, hier ist AAS-Transport Neun Echo Bravo. Ende.«
    Im Kopfhörer knisterte es. »Utopia-Zentrale. Bestätige.«
    »Wir haben die Fünfundneunzig verlassen und sind im Anmarsch. Geschätzte Ankunft 16.10 Uhr.«
    »Neun Echo Bravo, 16.10 Uhr. Verstanden.«
    Der Kopfhörer knisterte noch einmal, dann schwieg er. Das gepanzerte Fahrzeug steuerte die unmarkierte Highwayausfahrt an, die zur Zufahrtsstraße führte. Die Anhöhe wurde steiler. Der Fahrer wechselte den Gang und beschleunigte den großen Laster in Richtung des Haupteingangs von Utopia.
     
    15:50 Uhr
    Kyle Cochran stand vor dem »Meer der Stille«-Salon. Er trug den schwarzvioletten Umhang des Erzmagiers Mymanteus. Trotz der recht schwachen Beleuchtung der Promenade war es im Salon noch dunkler gewesen, deshalb wartete er, bis sich seine Augen anpassten. Neben ihm produzierte Tom Walsh - er war etwas größer und viel schlanker als Kyle - einen Rülpser. Sie hatten gerade pro Nase vier Supernovas vernichtet. Damit hatten sie den Collegerekord gebrochen.
    Dass das Getränk alkoholfrei war, schmälerte ihre Heldentat keineswegs: Eine Supernova war ein riesiges, buntes Gebräu mit zerstampftem Eis. Kyles Magen war längst taub und verstimmt. Wie immer fand er es irgendwie ärgerlich, dass er noch ein Jahr warten musste, bevor er etwas Richtiges trinken durfte. Aber an einem Ort wie Utopia machte es nichts. Sie hatten einen Kumpel in ihrem Wohnheim, Jack Fischer, der hatte schon mal eine Pulle Bourbon hier eingeschmuggelt, sich die Hucke voll gesoffen und anschließend alle seine Mitfahrer im »Kreischer« voll gekotzt. Es war erst ein paar Wochen her.
    Walsh rülpste erneut. Diesmal so laut, dass einige Passanten sich nach ihnen umdrehten.
    »Sie hörten den Landfunk«, sagte Kyle und nickte seinem Freund anerkennend zu. »Es sprach die Sau.«
    Als Erstsemester an der UCSB kannte Kyle grauenhafte Geschichten über höllische Zimmergenossen: zum Beispiel über den Partylöwen, der sich bis zum Morgengrauen an Death-Metal-Musik ergötzte, und über den Schmutzfink, der nur einmal pro Woche seine Unterwäsche wechselte. Tom Walsh hatte sich in dieser Hinsucht als angenehme Überraschung erwiesen. Außerdem teilten sie viele Interessen: Leichtathletik, Ska- Musik und Motorräder. Tom war ein naturwissenschaftliches Ass, während Kyle ordentliche Aufsätze schrieb und fließend Französisch sprach. Sie ergänzten sich prima, deswegen war das erste Jahr nicht besonders schwierig gewesen. Im zweiten Jahr hatten sich ihre Wege als Studenten zwar getrennt, aber sie waren weiterhin dicke Freunde geblieben. Leider hatte Tom zu Weihnachten eine Tragödie erlebt: Sein älterer Bruder war bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen. Im Winter war Tom deprimiert gewesen und hatte sich zurückgezogen. Deswegen hatte es Kyle sehr überrascht, als sein Freund mit der Idee gekommen war, die Semesterferien in Las Vegas zu verbringen. Es schien fast, als finde Tom allmählich zu seinem alten Ich zurück.
    Anfangs hatte es so ausgesehen, als müsse er sich zwingen, sich zu vergnügen. Doch seit sie in Utopia waren, war er viel gelöster und sein Lächeln wirkte nicht mehr aufgesetzt. Er hatte sogar darüber gesprochen, sich in den Sommerferien hier um einen Job zu bewerben.
    Kyle gähnte und reckte sich. »Was jetzt, Alter?«
    Tom klopfte auf seinen Bauch. »Ich weiß nicht. Was hältst du von »Station Omega«?«
    Kyle musterte ihn ungläubig. »Will´st du mich verarschen? Mit vier Supernovas im Bauch? Komm zu dir!«
    Toms einzige Antwort war ein schiefes Grinsen.
    Kyle stand auf der Promenade und überlegte den Vorschlag, ohne auf die sie umgebende Menge zu achten. »Station Omega« war die Freie-Fall-Attraktion von Callisto, ein relativ neues Fahrgeschäft, das den Besuchern erlaubte, sich aus ziemlich großer Höhe in die Tiefe zu stürzen. Normalerweise wurden die Teilnehmer eines solchen Vergnügens

Weitere Kostenlose Bücher