Das Patent
kam, musste er den Laden hier schmeißen. Im Kopf ging er mindestens zum fünften Mal die Notfallübungen durch. Mit der Sicherheitsabteilung, der Infrastruktur und der Gästebetreuung hatte er die nötigsten Abkommen getroffen. Blieben noch das medizinische Zentrum und der Krisenstab.
Doch dazu musste er an den Tatort zurück. Allocco war schon einmal dort gewesen. Er hatte nicht das geringste Verlangen, sich die Sache zweimal anzuschauen.
Er seufzte erneut, zog seinen Fettstift aus der Tasche und fuhr sich über die Lippen. Dann schaute er sich langsam um, als suche er in dem irreführend ruhigen Weltraumhafen etwas, das ihn vielleicht trösten konnte. Schließlich verließ er den Kommandoposten, machte sich am Rand entlang auf den Weg zum »Station Omega«- Ausstieg und kehrte in die Hölle zurück.
Im Ausstiegskorridor roch es wie nach Schweinebraten. Ein großes, langes Zelt aus transparentem Kunststoff war in aller Eile um den Unterbau des Liftschachts aufgestellt worden. Es verbarg die Stelle, an der »Station Omega« nach dem Aussetzen der Sicherungsmechanismen ohne Strom in die Tiefe gestürzt war, sodass endlich die Klappe aufsprang. Allocco war dankbar für das Zelt. Die Musik erklang hier leiser. Auch dafür empfand er Dankbarkeit. Ihm fiel unweigerlich der erste Blick ein, den er durch die offene Kabinenklappe geworfen hatte. Der Inhalt der Kabine war gnadenlos in sein Blickfeld gerückt: eine Masse ineinander verkeilter Glieder, die grotesk aus versengten Hemden, Hosen und Schuhwerk herausragten Das Bild flammte in seinem Geist auf, und er blieb stehen.
Schließlich zwang er sich, zum Zelt zu gehen. Jetzt war es vielleicht nicht mehr so schlimm. Wahrscheinlich hatte man inzwischen etwas Ordnung geschaffen.
Neben dem Zelteingang stand ein eilig aus dem Kostümfundus herangeschafftes Regal auf Rädern. Mehrere Dutzend große, schwere schwarze Kunststoffkleidersäcke hingen an einer Stange. Das Regal war schon halb leer.
Allocco sah lange Reihen von Sauerstoffgeräten. Daneben standen leere, nutzlose Rollstühle. Ein Mann mit einer Videokamera ging an ihm vorbei und entfernte sich schnell vom Ort des Geschehens. Sein Gesicht hatte einen grünen Schimmer. An seiner Schulter hingen ein Fotoapparat und ein Videorecorder. Er machte Beweisaufnahmen. Kleine Gruppen waren überall in der Ausstiegszone verteilt: Angehörige des Fahrdienstes, Schlosser, Ingenieure, Wachleute.
Auch hier wurde natürlich geweint, aber weniger als noch vor einigen Minuten. Die meisten Angehörigen der »Station Omega«-Mannschaft saßen zusammen und stierten vor sich hin. Allocco erkannte Dickinson, den Mann aus dem Kontrollraum, und Stevens, den Vorarbeiter. Um sie herum hatte sich eine Traube von Wachmännern gebildet. Bevor Allocco ging, wollte er noch Miss Piper ausfindig machen und sich ihre Geschichte anhören. Im Vorübergehen hörte er jemanden reden. Es war eine junge Frau, die am Ausstieg gearbeitet hatte. Mit gebrochener Stimme wiederholte sie immer wieder die Geschichte, die er schon kannte. Sie schien nicht damit aufhören zu können. Allocco musterte sie kurz. Eine Krankenschwester saß neben der Frau und wischte ihr das Gesicht und die Hände mit einem Tuch ab.
»Es war so still, so still, als die Kabine runterkam«, sagte die Frau. Ihr metallisch wirkender Ärmel war hochgekrempelt, ein Blutdruckmesser war um ihren Arm gewickelt. »Nach dem Geschrei kam nichts mehr, nichts. Ich hab es nicht verstanden, ich hab nur gewusst, dass etwas Schreckliches passiert war. Dann sprang die Klappe auf und. und sie waren so hoch dahinter gestapelt, dass sie einfach rauspurzelten, an mir vorbei. Es ging völlig lautlos vor sich, sie fielen einfach immer weiter raus und... 0 Gott ...« Sie verfiel in Schweigen. Sie schluchzte und schüttelte sich nur noch. Die Krankenschwester strich ihr über den Kopf und flüsterte ihr etwas zu. Ein Mann aus der Gruppe stand auf und begab sich mit steifen Schritten in eine ferne Ecke der Ausstiegszone.
Dann hörte Allocco die Geräusche eines Menschen, der sich übergibt.
Mit fest zusammengebissenen Zähnen ging er an der Gruppe vorbei, streckte einen Arm aus, zog die Plane beiseite und betrat das Sanitätszelt.
Hier im Kunststofftunnel war der Geruch verbrannten Fleisches noch stärker. Tragen und Rollwagen standen in zwei Reihen, damit man die Leichen so gut wie möglich registrieren konnte. Bei seinem ersten Besuch an diesem Ort war man nur langsam vorangekommen: Das medizinische
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