Das Patent
schließlich das für die Einnahme und Weiterleitung aller Gelder zuständige System.
Das Finanzleitsystem war wirklich wunderbar. Barksdale hatte seine Entwicklung geleitet und seine Einführung überwacht. Er hatte das in alten Zeiten durch Europa und Asien verlaufende Straßennetz der Römer als Vorlage verwendet.
- Er wusste noch genau, welche Faszination er als Gymnasiast für diese Straßen empfunden hatte. Die Via Domitia, die Via Aurelia, die Via Appia und all die anderen waren gerade gewesen, gepflastert und einheitlich und alle führten zum Milliarium Aureum zurück, dem Goldenen Meilenstein auf dem Forum in Rom.
Mit den Identifikatoren und Besucherparkkreditkarten wollte Utopia zwar so weit wie möglich ohne Papiergeld auskommen, aber es existierten noch immer zahllose Imbiss- und Andenkenbuden, Holofotogalerien, T-Shirt- Lädchen und Kassenhäuschen, an denen man bar zahlte. Im Gegensatz zu anderen Freizeitparks verfügte Utopia aber noch über etwas anderes: vier gigantische Spielkasinos, deren Automaten, Blackjack- und Roulettetische unersättliche Bargeldmagneten waren.
Barksdales Finanzleitsystem nahm Geld aus zahllosen und weit verstreuten Parkunternehmungen ein, gab es ohne menschliche Einmischung an eine Vielzahl von Sammel- und Verwertungsstationen weiter und deponierte es schlussendlich im Hauptgewölbe der C-Ebene - dem pekuniären Forum Romanum Utopias. Dort wurde es einmal wöchentlich zu festgelegter Zeit von einem eskortierten Panzerfahrzeug abgeholt. All dies ging automatisch und autonom unter der Kontrolle der Systemverwaltung vor sich. Nur die Betriebsleiterin konnte die wöchentliche Geldübergabe abblasen. Nur ein Anruf Sarah Boatwrights konnte die Abholung canceln. Doch Sarah würde einen solchen Anruf nur tätigen, wenn die Stabilität und Ordnung im Park eindeutig bedroht waren.
- Was aber - Barksdale hatte sich auch diese Frage gestellt passierte, wenn trotzdem ein Panzerfahrzeug eintraf? Sarah konnte den regelmäßig verkehrenden Laster der von Utopia beauftragten Firma American Armored Security wohl abbestellen - aber es war Barksdales Aufgabe, den internen Verlauf zu regeln, der die Geldübergabe betraf. Wenn man listig vorging, er fuhr das Systempersonal auf der C-Ebene nie etwas von der Abbestellung des echten Panzerwagens.
Führte er Sarahs Befehl nicht aus, gab er ihn nicht weiter, endete die Wissenskette bei ihm. Traf dann das Ersatzpanzerfahrzeug ein, würde es wie üblich binnen weniger Minuten beladen werden - mit einer Summe, die, wenn man den Durchschnitt der letzten zwei Monate als Grundlage nahm, nicht weniger als hundert Millionen Dollar betrug. Barksdale blieb stehen. Hundert Millionen Dollar. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass ihn nicht nur rechtschaffene Wut angetrieben hatte. Es war auch das Geld gewesen.
Die Fassade, die er seinen Untergebenen und Vorgesetzten präsentierte - Frederick K. Barksdale, reinblütiger englischer Adel, Herrenreiter -, war von vorn bis hinten erlogen. Er war in einem ärmlichen Mietshaus in Clapham zur Welt gekommen, hatte modrig riechende Bücher gelesen und sich ausgemalt, eins der privilegierten Bürschlein zu sein, die in Eton, Harrow oder Sandhurst zur Schule gingen. Die Vorstellung, sich von Arbeit ernähren zu müssen, war ihm abscheulich erschienen, unter seiner Würde. Seine wahre Berufung waren die Bretter, die die Welt bedeuteten: als Shakespeare Darsteller, wie Laurence Olivier und John Gielgud. Natürlich hatten seine Eltern kein Geld für seine kindischen Schwächen gehabt, geschweige denn Sinn für sein offenkundiges Interesse an der Schauspielerei. So hatte er ein Stipendium fürs Canterbury Technical College bekommen und bald eine weitere Begabung an sich erkannt: Er hatte in Sachen Computerdesign einiges drauf. Nach dem Examen hatte er in den Staaten eine Systemverwalterstellung gefunden und schnell Karriere gemacht. Bald hatte er gemerkt, dass er noch ein Talent hatte: Er war der geborene Hochstapler. Es fiel ihm leicht, den Engländer aus der Oberklasse zu spielen. Seine Eloquenz und die ihm angeborene Liebe zu den schönen Dingen des Lebens hatten ihm dies leicht gemacht. Sein Ich hatte sich unmerklich entwickelt.
Niemand stellte ihn in Frage. Irgendwann hatte auch Barksdale sich keine Fragen mehr gestellt. Er hatte schließlich angefangen, sich das zu gönnen, von dem er wusste, dass es ihm zustand.
Was freilich äußerst kostspielig gewesen war. Seine Schulden hatten sich mit Furcht erregender
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