Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
Vom Netzwerk:
durchnässt an seinem Schoß. Sie war ausgegangen. Der Schmerz in seinen Handflächen wurde schlimmer, und er fühlte sich sehr müde. Das Heulen der Alarmsirenen, das auf sein Gesicht tropfende Wasser - all dies erschien ihm weit entfernt. Wenn er die Augen schloss, konnte er vielleicht schlafen.
    Dann fiel sein Blick wieder auf den Panzerwagen, und er richtete sich so abrupt auf, als hätte er einen Stromschlag erhalten. Die Lunte löste sich von seinem Schoß und fiel zu Boden.
    John Doe schob sich mühsam über die Kühlerhaube des Fahrzeugs. Sein Gesicht war geschwärzt, sein Haar verbrannt. Von den Schultern seines Leinenanzugs stieg Rauch auf. Blut lief aus seiner Nase und seinen Ohren. Er schien weder Warne noch das überall verstreute Geld noch sonst etwas zu bemerken. Sein Blick war auf den Tunnelausgang gerichtet.
    Warne erstarrte und blickte auf John Does Hände. In der einen hielt er eine Pistole, in der anderen das schwarze Rechteck der Fernbedienung.
    Warne schaute sich wild um. Seine Hände waren zu verbrannt, um noch eine Lunte anzuzünden. Und selbst wenn es anders gewesen wäre: Hier war es zu nass, hier konnte nichts mehr brennen. Er hatte keine Waffe mehr. Er konnte nichts mehr unternehmen.
    Er warf einen verzweifelten Blick auf den Transporter. Doch John Doe war schon über die Kühlerhaube gerutscht und verschwand aus Warnes Blickfeld im Tunnel.
     
    16:32 Uhr
    John Doe ging durch den Gang und entfernte sich von dem Rauch, dem Wasser, dem Chaos und dem unbeschreiblichen Grauen im Inneren des Panzerwagens. Sein Schritt war zwar unstet, doch er hielt den Sender mit festem Griff umklammert. Feuer-, Rauch- und Notfallalarme heulten überall, aber er nahm nichts davon wahr, denn die dritte Raketenexplosion hatte seine Trommelfelle platzen lassen. Blut und Eingeweide bedeckten seine Brust, doch da das meiste davon nicht von ihm stammte, beachtete er es nicht.
    Durch den Gang rannte ein Wachmann auf ihn zu. Sein Gesicht war eine Maske des Entsetzens und der Besorgnis. Er rief etwas - Was ist passiert, verdammt noch mal? Sind Sie verletzt? -, und John Doe hob seine Pistole und schoss ihn nieder. Seine Augen bluteten und waren vom Pulver verätzt, aber er konnte noch immer den Halbkreis aus Tageslicht ausmachen, der das Ende des Ganges signalisierte. Jetzt ist es nicht mehr weit.
    Ein weiterer Wachmann kam ihm durch den Gang entgegen, und John Doe hob den Arm, feuerte erneut und ging weiter. Er kam am verlassenen Kontrollpunkt vorbei. Jetzt nur noch ein paar Schritte. Dann stand er draußen auf dem Asphalt und die gigantische Rückseite Utopias ragte hinter ihm auf. Der Schatten der Kuppel hatte den Parkplatz vereinnahmt, aber trotzdem war das Licht fast zu viel für seine verletzten Augen. Doe wankte vorwärts. Er spürte, dass Blut aus seinen Ohren tropfte. Einige Utopia-Mitarbeiter, die bei der Explosion von den Ladezonen weggelaufen waren, blieben stehen und starrten ihn an. John Doe ging weiter. Er machte sich nicht die Mühe, die Leute anzuschauen. Ein, zwei Fahrzeuge bewegten sich auf dem Asphalt: vage, undeutliche Formen. Aber er interessierte sich nur für eine - das Begleitfahrzeug, das ihn von hier fortbringen würde; fort von dem tödlichen Chaos, das er gleich über den Park bringen würde. Wie lautete doch noch mal der Spruch Vishnus, den das »Bhagavadgita« zitierte? »Ich bin zum Tod geworden, zum Vernichter der Welten.« Jedenfalls glaubte er, dass der Spruch so lautete, denn sein Verstand war nicht mehr so klar, wie er es hätte sein sollen.
    Bargeld hatte er jetzt natürlich nicht mehr, aber die beiden DVDs waren mehr als ein Ausgleich. Vor sich machte er nun die riesige, geschweifte Linie aus, die den Rand des Kuppel schattens markierte. Doe umklammerte den Infrarotsender fester. Wenn er die Linie erreichte, würde er sich umdrehen.
    Von dort aus hatte er mehr freies Sichtfeld, als er brauchte.
    Jetzt ist es nicht mehr weit.
    Andrew Warne ballte seine versengten Hände zu Fäusten, kletterte mühsam über die Kühlerhaube des gepanzerten Wagens und wankte durch den Korridor. Er wusste nicht, was er tun sollte: Er wusste nur, dass er John Doe irgendwie aufhalten musste.
    Der fahrbare Holoprojektor, den er und Peccam aufgebaut hatten, um den Laster zum Anhalten zu zwingen, lag im Gang auf der Seite, denn die Explosionen hatten ihn umgeworfen. Aber er projizierte noch immer ein Hologramm Andrew Warnes: Sein anderes Ich stand mit gespreizten Beinen und vor der Brust verschränkten Armen

Weitere Kostenlose Bücher