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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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da - nun allerdings in Höhe der Decke. Vor ihm am Boden lag ein erschossener Wachmann. Kurz darauf stieß er auf einen zweiten. Hinter ihm wurden Rufe und das Geräusch sich nähernder Schritte laut. Warne ging weiter, am Kontrollpunkt und an den brüllenden Turbinen des Luftreinigungssystems vorbei bis auf den Mitarbeiterparkplatz.
    Dort blieb er kurz stehen, schaute sich um und versuchte John Doe zu erspähen. Er sah ihn zu seinem Entsetzen genau vor sich, vielleicht hundert Meter entfernt. Die über den Asphalt fallende Schattenlinie der Utopia-Kuppel durchschnitt seine schmale Gestalt. Wie konnte er so schnell hier sein? Warne sah, dass der blutüberströmte Arm John Does sich langsam und zielbewusst hob.
    »Nein!«, schrie er und setzte zum Endspurt an. Als er losrannte, richtete sich der Sender gen Himmel. Er sah das leere, glasige Lächeln auf John Does Gesicht und wusste, dass es zu spät war.
    Dann löste sich Does Kopf urplötzlich in eine Wolke aus Blut und Hirnmasse auf.
    Doe fiel nach hinten. Der Sender schepperte auf den Asphalt.
    Erst jetzt hörte Warne den Knall eines Schusses. Er hallte über den Parkplatz, übertönte rollend und grollend das Heulen der Sirenen und sein Echo flog wie ein Ball zwischen den Schluchtwänden hin und her.
    Warne rannte zu dem Sender und zertrampelte ihn mit dem Absatz. Dann drehte er sich um und spähte zum breiten Betonrücken Utopias. Hoch über dem Dachrand stützte sich die Silhouette einer Gestalt mit einer Tweedmütze und einer Kordjacke vor der Kuppelsilhouette auf ein langläufiges Gewehr. Der Mann winkte Warne einmal schwach zu, dann setzte er sich ziemlich abrupt hin. Das Gewehr entfiel seinen Händen und verschwand aus Warnes Blickfeld.
    Auch Warne setzte sich auf den Boden. Nun lag der Asphalt zwar im Schatten, aber er war noch heiß von der Hitze des Tages. Einige Meter von ihm entfernt lag John Does reglose Leiche.
    Warne schaute sich um, schlang die Arme um seine Knie und blinzelte träge vor sich hin. Nicht weit von ihm raste eine ziemlich neue Limousine mit einem blitzenden bernsteinfarbenen Licht auf dem Dach schnell davon und hielt auf die Interstate zu. Warne ignorierte den Wagen. Sein Blick galt einem ferneren Punkt - der gezackten roten Linie des Horizonts, an dem sich über der dünnen Wolkenfront eine Reihe flacher Schatten näherte. Wenn man genau hinhörte, konnte man das pulsierende Summen der Motoren hören wie das Schlagen gigantischer Schwingen in der Luft. Die Kavallerie war endlich eingetroffen.
     
    Epilog
    Warmer Sonnenschein ergoss sich über die Schluchtwände und sprenkelte den Sandstein mit einer Fülle von Rot, Gelb und Ocker. Warne saß allein an einem Fensterplatz und genoss die Wärme auf seinem Gesicht. Diesmal hatte er an die Sonnenbrille gedacht. Das sanfte Schaukeln des Wagens war behaglich und ihm fast so vertraut wie die Erinnerung an eine Wiege im Säuglingsalter. Die Tonkonserve, die über die Lautsprecher an sein Gehör drang, hatte die gleiche sanfte und kultivierte Stimme wie damals, nur wies sie diesmal auf den Weltraumhafen von Callisto hin, der erst vor zwei Wochen mit neuen Fahrgeschäften wiedereröffnet worden war.
    Irgendjemand sprach ihn von hinten an. Warne erwachte aus dem ihn umhüllenden Schleier der Erinnerungen und drehte sich um. Es war ein Mann. Er war etwa Mitte vierzig und hatte schütteres Haar und einen geröteten Teint.
    »Wie bitte?«, fragte Warne.
    »Ich hab gefragt, ob Sie schon mal hier waren.«
    Warne nickte. Er dachte an das letzte Mal, als er die roten Wände der Schlucht gesehen hatte - aus dem Inneren eines Notarzthelikopters heraus, der nach Las Vegas geflogen war.
    Seine Hände waren in Eis verpackt gewesen. Ein Uniformierter hatte ihn mit Fragen traktiert. Einen Moment lang empfand er das Schaukeln des Wagens als weniger behaglich.
    »Ich bin zum ersten Mal hier«, sagte der Mann. »Ich kanns noch immer nicht fassen.« Die Worte schienen in einem atemlosen Schwall aus ihm herauszuströmen. »Und all das nur, weil ich einen Artikel geschrieben habe.«
    Das Gefühl wich. Warne verdrängte seine Erinnerungen.
    »Wirklich?«
    »Für das >Feinschmecker-Magazin<. Über mittelalterliche Küche. Ich bin nämlich Ernährungshistoriker.«
    »Ernährungshistoriker?«
    Der Mann brauchte keine weitere Aufforderung. »Ja. Daraufhin hab ich vorige Woche einen Anruf von Lee Dunwich erhalten. Er ist der oberste Utopia-Küchenchef. Das muss man sich mal vorstellen! Lee Dunwich hat seinen Job in einem

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