Das Patent
des Jazz. Der Typ hat alles zum Swingen gebracht. Sein Konzert in Newport, 1956? Hör dir mal >Diminuendo and Crescendo in Blue< an! Paul Gonsalves, der Saxophonist, bringt da ein Solo über siebenundzwanzig Chorusse. Über siebenundzwanzig Chorusse, verdammt. Unglaublich.«
Ihre Worte wurden mit Schweigen beantwortet. Teresa seufzte erneut. Ihr wurde klar, dass sie mit Georgia wie mit einer Erwachsenen sprach. Aber sie hatte keine Ahnung, wie man mit Heranwachsenden redete. Schon als Kind hatte sie nicht gewusst, wie so was ging. Verdammt noch mal, manchmal empfand sie sogar Unbehagen, wenn sie sich mit Erwachsenen unterhielt. Eins jedoch wusste sie: Wenn sie noch eine halbe Stunde hier sitzen musste, würde sie durchdrehen.
Sie stand abrupt auf. »Lass uns einen Spaziergang machen!«
Georgia schaute sie stumm und fragend an.
»Tja, du wirkst irgendwie so gelangweilt, wie mir zumute. Komm mit, ich möchte dir was zeigen.«
Mit Georgia im Schlepptau suchte Teresa sich einen Weg durch die verwinkelten Gänge der B-Ebene, bis sie schließlich eine kleine, unbeschriftete Tür erreichten. Ein schmales eisernes Treppenhaus tat sich dahinter auf. Teresa schob Georgia vor sich her, und sie stiegen hinauf.
Die Treppe schien endlos zu sein. Schließlich erreichten sie einen kleinen Absatz aus gerieftem Metall, der von einem hüfthohen Geländer umgeben war. Auf der Seite gegenüber setzte sich die Treppe - nun jedoch schmaler - fort und verschwand in einem umschlossenen Durchgang. Ohne sich abzusprechen, hielten beide auf dem Absatz an und legten eine Verschnaufpause ein.
»Gibt es hier keinen Aufzug?«, keuchte Georgia.
»Doch. Aber ich kann Aufzüge nicht ausstehen.«
»Warum nicht?«
»Ich leide an Klaustrophobie.«
Sie rangen nach Atem. Stille setzte ein. Dann drehte Teresa sich zu Georgia um. »Wie ist es eigentlich, wenn man einen so brillanten Vater hat?«
Georgia schaute sie so überrascht an, als hätte sie noch nie über diese Frage nachgedacht. »Das ist ganz in Ordnung, glaub ich.«
»In Ordnung? Ich hätte für einen Vater wie deinen gemordet. Die Vorstellungen, die mein Vater von Mathematik hatte, erschöpften sich darin, die Perlen seines Rosenkranzes zu zählen.«
Georgia schien kurz zu überlegen. »Er ist wie alle anderen Väter. Wir haben schon unseren Spaß.«
»Interessierst du dich für Robotik?«
Georgia nickte. »Klar. Früher jedenfalls.«
Teresa überlegte. Es war noch immer schwer zu glauben, dass sie hier stand und sich mit der Tochter von Andrew Warne unterhielt - dem Vater des Metanets, dem kontroversen Pionier der Robotik und Maschinenintelligenz, der die Carnegie-Mellon- Universität erst kürzlich verlassen hatte.
Im Zuge der Metanetverwaltung hatte sie so oft mit ihm telefoniert, dass es ihr nicht leicht fiel, sich ihn inmitten einer Familie vorzustellen. Aber natürlich wusste sie über seine Vergangenheit Bescheid. Sie hatte gehört, dass seine Frau, eine Schiffsarchitektin, vor vier Jahren beim Test einer neuen Segelbootkonstruktion in der Chesapeake Bay ertrunken war. Sie wusste auch, dass er bei den ersten Planungen dieses Parks eng mit Eric Nightingale zusammengearbeitet hatte.
Nach Nightingales Tod war er mit den Unternehmertypen aneinander geraten, die gekommen waren, um Utopia zu vollenden. Auch der Tratsch war ihr zu Ohren gekommen: dass Warne und Sarah Boatwright an der Carnegie Mellon etwas miteinander gehabt hätten; dass seine umstrittenen Theorien über das Lernvermögen von Maschinen die versprochenen Früchte nicht getragen hätten; dass die Firma, die er nach dem Weggang von der Universität gegründet hatte, kürzlich als Opfer der Dot- Com-Implosion den Bach runtergegangen sei. Natürlich stimmten nicht alle Gerüchte in Utopia. Aber wenn nur das Letzte stimmte, tat er ihr heute doppelt Leid.
Teresa stieß sich vom Gestänge ab. »Komm«, sagte sie. »Es sind nur noch einundsiebzig Stufen. Ich hab sie mal gezählt.«
Die nächste Treppe verlief steil nach oben durch eine Art Gehege, das von zwei langen, schlanken Balken gebildet wurde, die sich über ihnen bogen und irgendwo verschwanden. Hier gab es keine Fenster. Der röhrenartige Gang wurde von an der Wand befestigten Leuchtstoffröhren erhellt.
»Wir sind gleich da«, keuchte Teresa und zog sich am Geländer hoch.
Die Steile der Treppe ließ nun schrittweise nach. Teresa führte Georgia um eine scharfe Kurve, dann betrat sie die nächste Plattform, machte Platz und winkte Georgia, ihr zu folgen
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