Das Patent
und sein sich selbst vervollkommnendes Netzprojekt. Er hatte darauf bestanden, dass die beiden Roboter in Utopia ein Zuhause fanden. Scylla kam nun auf sie zu. »Guten Tag«, rasselte der Roboter.
»Was darf's denn sein?«
»Ein Vanilleeis mit Malzbier, bitte.« Warne brauchte nicht lang zu fragen: Georgia konnte von Vanilleeis mit Malzbier leben. Er hatte es dem Roboter als Erstes beigebracht.
»Ein Vanilleeis mit Malzbier«, echote Scylla. Warne hatte die künstliche Stimme fast vergessen: Es waren digitalisierte Samples seiner eigenen. Außerdem hatte er völlig vergessen, wie groß der Roboter war: Er maß bis zur Spitze seiner Sensorreihen ganze zwei Meter vierzig. »Darf es noch etwas sein?«
»Ja. Ein doppelter Pistazien-Schokolade-Eisbecher mit Schlagsahne, bitte.«
Scylla hielt plötzlich inne. »Dr. Warne?«, fragte der Roboter nach einer Weile.
»Ja, Scylla.«
Der Roboter pausierte erneut, diesmal etwas länger. »Ein doppelter Pistazien-Schokolade-Eisbecher mit Schlagsahne. Kommt sofort. Kemo sabe.«
Warne beobachtete den Roboter, als er sich umdrehte und fortbewegte. Die Anspielung auf die Fernsehserie »The lone Ranger« war ein privater Jux; seine Signatur am unteren Rand des Gemäldes. An dem Tag vor achtzehn Monaten, als er Scylla und Charybdis in die Kiste gelegt hatte, damit sie nach Nevada reisten, hatte er beschlossen, dem Roboter diese Routine einzubauen. Auch wenn es erst eineinhalb Jahre her war, heute sah die Welt ganz anders aus. Damals hatten Sarah und er sich angefreundet. Sie war eine erstaunlich zuversichtliche Frau und ihm intellektuell ebenbürtig geworden, eine potenzielle zweite Mutter für Georgia.
Warne hatte seine Pioniertätigkeit für Eric Nightingale mit der Vorstellung in Angriff genommen, dass ihm noch allerhand bevorstand. Die Zukunft war ihm hell und verheißungsvoll erschienen.
Wie schnell die Dinge sich doch änderten! Georgia hatte sich Sarah nicht so geöffnet, wie er gehofft hatte. Es hatte sogar so ausgesehen, als könne sie sie nicht leiden. Sie war besitzergreifend geworden. Und seine Arbeit an der Carnegie-Mellon-Universität war zunehmend unter Beschuss geraten.
Man hatte sie als umstritten und unerprobt eingestuft. Dann war Nightingale gestorben. Warnes Beziehung zu den Anzugtypen des Unternehmens und den Erbsenzählern, die Nightingale eilig ersetzt hatten, hatte sich schnell abgekühlt und war dann vollständig in die Brüche gegangen. Inzwischen waren die vertraglichen Verpflichtungen in Sachen Metanet seine einzige Verbindung zu Utopia. Sarah war ausgezogen und zur Betriebsleiterin des Parks aufgestiegen.
Welche Ironie: Sie hatte Nightingale ausgerechnet durch ihn kennen gelernt! Warne hatte die Universität dank des Metanet-Gelds verlassen, um ein Forschungsunternehmen zu gründen, das helfen sollte, seine Theorien über lernfähige Maschinen zu beweisen. Doch seit der Dot- Com-Katastrophe waren auch seine Finanziers verschwunden. Immerhin hatte er noch das Metanet - zumindest hatte er das bis heute Morgen geglaubt.
Scylla glitt mit Georgias Bestellung zu ihnen zurück. »Hier, bitte«, sagte der Roboter. Er stellte die Schale auf den Tresen und wandte sich wieder den Eiskrembehältern zu. Seine KI-Routinen beschäftigten sich bereits mit dem Auftrag, einen doppelten Pistazien-Schokolade-Eisbecher mit Schlagsahne zuzubereiten. Die Bewegungen des Roboters machten auf Warne nun einen leicht sprunghaften und zögerlichen Eindruck. Dann fiel es ihm ein: Er wirkte, als seien seine Wegfindungsroutinen deoptimiert. War dies etwa ein Ergebnis des täglichen Uplink? War es möglich... War es wirklich möglich, dass das Metanet... Warne weigerte sich, die Gedankenkette weiter zu verfolgen. Er hatte für heute genug schlechte Nachrichten gehört.
»Kann ich mal den Lageplan haben?«, fragte Georgia.
»Klar.«
»Und vierzig Kröten?«
»Klar. Moment. Was? Vierzig Kröten? Wofür?«
»Ich möchte mir ein >Angstplanet<-T-Shirt kaufen. Eins von denen, die so unheimlich schillern. Hast du sie nicht gesehen?«
Warne hatte sie gesehen - zu Dutzenden. Sie zierten die Leiber der über den Promenadenplatz spazierenden Jugendlichen. Er öffnete mit einem Seufzer seine Brieftasche, gab Georgia das Geld und schaute ihr zu, als sie ihren Kopfhörer überstülpte und einen Schluck Malzbier trank.
Wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass dieser Zwischenhalt ihm ebenso viel bedeutete wie ihr. Er brauchte ein Erfolgserlebnis, eine Erinnerung an bessere
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