Das Patent
Zeiten. Bis heute - seit er wusste, dass es abgeschaltet werden sollte - war ihm nicht bewusst gewesen, wie wichtig ihm das Metanet war. Ungeachtet seiner trotzigen Haltung spürte er erst jetzt, dass ihn eine Woge der Verzweiflung überspülte. Was sollte er jetzt tun? Er hatte an der Universität gekündigt. Er hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Er warf Georgia einen heimlichen Blick zu. Wie sollte er es ihr je erklären? In seiner Nähe schnurrte etwas, dann war Scylla wieder da.
»Hier, bitte, Kemo sabe«, sagte der Roboter und stellte den Eisbecher vor ihm ab. Warne wartete. Gleich würde der Roboter um seine Kennkarte bitten und sein Utopia- Konto mit der Eiskrembestellung belasten.
Doch Scylla tat nichts dergleichen. Stattdessen drehte der Roboter seine Sensoren zuerst nach links und dann nach rechts. Schließlich fuhr er mit einem Schnurrgeräusch zurück und wieder vorwärts. Seine Bewegungen wirkten eigenartig zurückhaltend und unsicher.
Georgia blickte von ihrem Malzbier auf und zog den Kopfhörer von einem Ohr. »Papa?«, erkundigte sie sich.
Scylla fuhr mit einem jähen Knirschen auf Warne zu. Das kastenförmige Gehäuse kollidierte mit dem Tresen und warf Gläser und Strohhalmspender um. Überraschtes Gemurmel erhob sich aus den Reihen der Gäste. Scylla rollte plötzlich zurück, krachte fest gegen die Rückwand der Eisdiele und schoss dann wieder mit Höchstgeschwindigkeit vorwärts. Die Zangen drehten sich, die Sensoren wirbelten um ihre Achse.
»Georgia!«, schrie Warne. »Weg da!«
Der Roboter krachte erneut gegen den Tresen. Die Gäste schnappten nach Luft. Jemand schrie auf, als Menschen von den Hockern stürzten und andere sich eiligst vom Tresen entfernten. Scylla schoss erneut zurück und krachte abermals schwer gegen die Eisdielenrückwand. Ein Dutzend Flaschen mit farbigem Sirup fielen zu Boden und zerschellten.
Mit aufheulenden Motoren fuhr der Roboter wieder nach vorn.
Warne sprang von seinem Hocker und starrte die Maschine erschreckt an. Er hatte noch nie gesehen, dass sich ein Roboter so benahm. Eigentlich konnte er sich gar nicht so aufführen; er hatte ihn doch selbst programmiert. Was ist hier los, verdammt? Es war fast so, als wolle die Maschine sich aus ihrem Gehege befreien und sich einen Weg auf die Promenade hinaus erzwingen. Wenn dies geschah, würde sie bei ihrer Schnelligkeit und Größe alles niedertrampeln, was sich ihr in den Weg stellte.
Wieder kollidierte der Roboter mit einem schmetternden Krachen mit dem Tresen. Der transparente Oberflächenbelag bebte, verformte sich und warf das, was noch auf ihm stand, stakkatoartig nach vorn. Scylla fuhr zurück, dann wieder vorwärts. Der Roboter wirkte wie ein wütender, in einem Käfig gefangener Stier.
Hinter Warne wurden Warnschreie laut. Die Leute waren erschreckt. Er schaute nach rechts: Georgia stand ein Stück von ihm entfernt und schaute mit aufgerissenen Augen zu.
Warne dachte schnell nach. Er konnte nur eins tun: Er musste versuchen, den Trennschalter am Gehäuserücken der Maschine zu erreichen und zu deaktivieren.
Er trat behutsam vor. »Scylla«, sagte er laut und deutlich in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit des Roboters auf sich zu ziehen. Er musste das bizarre Verhalten der Maschine beenden, dessen Ursache ihm völlig schleierhaft war. Im gleichen Moment hob er die linke Hand und spreizte in einer besänftigenden Geste die Finger. Er hielt die Rechte niedrig und schob sie langsam um das Gehäuse des Roboters.
Beim Ertönen seiner Stimme richteten sich Scyllas Sensoren auf Warne, und der Roboter sagte rasselnd: »Kemo sabe.«
Dann schoss eine seiner Zangen nach vorn und packte Warnes rechtes Handgelenk mit eisernem Griff.
Warne schrie vor Schmerz auf, denn Scylla drückte mit zerquetschender Stärke zu. Der Roboter riss ihn nach vorn.
Warne flog über den Tresen und gegen die Eiskremschalen.
Er gab dem Roboter verzweifelt nach, damit er ihm nicht das Gelenk brach.
»Papa!« Georgia sprang vor und streckte die Arme aus, um ihn von Scylla fortzuziehen.
»Nicht, Georgia!« Warne keuchte auf und gab sich alle Mühe, die linke Hand um das Gehäuse zu schieben. Seine Fingernägel schrammten über glattes Metall. Scylla fuhr zurück und zog Warne mit sich. Die Motoren heulten angestrengt.
Der zweite Zangensatz des Roboters schoss nach vorn und zuckte auf den Hals seines Schöpfers zu, doch im gleichen Augenblick trafen Warnes Finger den kleinen Deaktivierungsschalter.
Scylla hielt
Weitere Kostenlose Bücher