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Das Patent

Titel: Das Patent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Requisiten für die nächste Vorstellung vor.
    Alle ignorierten den dröhnenden Klangteppich hinter dem Vorhang. Der Feuerwerkexperte warf einen Blick auf seinen Dezibelmesser und machte sich ein paar Notizen. In einer fernen Ecke schimpfte ein »Kindermädchen« ein kaum zehn Jahre altes Bürschlein aus, das seine Trompete nicht richtig gehalten hatte. Nur Roger Hagen blieb reglos mit ausgebreiteten Armen und Beinen und dem Gesicht nach unten auf den Bühnenbrettern liegen.
    Olmstead, sein Schildknappe, näherte sich ihm. »He, keine Müdigkeit vortäuschen!«, sagte er grinsend und stupste Hagen mit einem Stiefel an.
    Da Hagen sich nicht rührte, insistierte Olmstead weiter.
    »Was soll das sein, ne neue Methode der Darstellung? Also, ich hab mir den Oscar inzwischen abgeschminkt, Kumpel.«
    Noch immer keine Reaktion. Olmsteads Grinsen verblasste. »He, Roger«, fragte er, »wo ist der Gag bei der Sache?« Er kniete sich neben den reglosen Ritter und schüttelte ihn sanft.
    Als Olmstead seinen Kollegen zum zweiten Mal schüttelte, fiel ihm etwas auf. Ein Loch in Hagens Helm. Er beugte sich dichter heran, schnupperte und registrierte den Geruch verbrannten Fleisches.
    Dann sprang er auf. Doch seine entsetzten Schreie waren angesichts des nicht endenden Gebrülls der Menge kaum zu hören.
     
    13:34 Uhr
    Dob Allocco, der Chef des Sicherheitsdienstes, hatte in den sechs Monaten seit der Eröffnung Utopias so ziemlich alles gesehen und gehört. Aber so etwas noch nie.
    Er stand im Überwachungsraum am »Greifenturm«- Ausgang und beobachtete das aus dem Theater strömende Publikum durch eine Einwegscheibe. Die Menschen lachten und pfiffen. Einige kasperten auch herum. Es war das übliche Verhalten einer Menge, der eine aufregende Vorstellung den Blutdruck hochgetrieben hat. Alle wirkten ziemlich aufgedreht. Allocco schaltete ein Mikro ein, um sich anzuhören, was die Leute beim Verlassen des Theaters so redeten.
    »Boah, ey«, sagte ein Halbwüchsiger zu einem anderen.
    »Haste die tollen Drachen gesehen?«
    »Das waren keine Drachen, du Nase!«, sagte der andere. »Es waren Greifen. Weißt du eigentlich überhaupt nichts?«
    Eine alte Dame ging an der Geheimtür vorbei und fächelte sich mit einem Lageplan Luft zu. »Gütiger Himmel«, sagte sie zu ihrer noch älteren Begleiterin. »Dieses Feuerwerk... Es ist fast vor meinem Gesicht explodiert... Ich dachte schon, ich geh lieber raus... Wo ich´s doch am Herzen habe.«
    »Haste gesehen, wie der Ritter gestorben ist?«, sagte ein Mann, der einen Kindersportwagen schob, zu seiner Frau. »Patsch! Mitten durch den Kopf. Wie machen die das bloß?«
    »Das war doch nichts Besonderes«, erwiderte die Frau.
    »Heutzutage können die mit Spezialeffekten alles machen.
    - Aber als der riesige Turmklotz fast auf uns gefallen wäre also, das war schon was.«
    Allocco fuhr sich schweigend mit einem Fettstift über die Lippen. Er wartete, bis die letzten Zuschauer den Saal verlassen hatten, dann öffnete er die Tür, nickte den kostümierten Platzanweisern und Platzanweiserinnen zu und betrat das Theater. Der eingestürzte Turmabschnitt wurde mit einem hydraulischen Heulen wieder an seinen Platz gehievt. Große Luftreiniger saugten Qualm und Schießpulver durch oben angebrachte Röhren ab.
    Allocco stand zwischen den Sitzreihen und warf einen Blick auf die hohen Mauern aus künstlichem Gestein. Er hatte natürlich ein schlechtes Gefühl, aber andererseits hatte er es immer, sobald der Park öffnete. Am besten gefiel ihm Utopia um 18.00 Uhr - dann sah alles so aus, wie es aussehen sollte.
    Dann war der Stab auf ein Minimum reduziert und die Gäste, die die Illusion stören konnten, waren weg. Zu dieser Stunde konnte man durch die gepflasterten Gassen Gaslights oder die Hochstraßen Callistos gehen, ohne sich Sorgen um verlaufene Kinder, Kranke oder Prozesshansel zu machen, ganz zu schweigen von besoffenen Studenten.
    Erst vor einer Woche hatten drei Motorradrocker beschlossen, sich pudelnackt in den Bootsteich von Boardwalk zu stürzen. Acht Wachmänner waren nötig gewesen, um sie zu überzeugen, dass es besser war, sich wieder anzuziehen und zu gehen. In der Woche davor hatte ein portugiesischer Tourist, sauer darüber, dass er am »Ereignishorizont« zwei Stunden in der Schlange hatte stehen müssen, ein Messer gezogen und sich auf einen Mitarbeiter gestürzt. Allocco schüttelte den Kopf. Das Wachpersonal durfte keine Waffen tragen, nicht mal zur Selbstverteidigung. Keine

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