Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
es entdeckt hat. Angelita, ist das deine Freundin, jedenfalls weiß ich, dass du eine hast. Nein, das ist unsere Sekretärin, die du außerdem schon kennst. Mein Gott, diese Frau hat wirklich ein gutes Auge; lass uns was probieren, gib mir mal dein Handy mit dem Foto von dem Dichter. Der Zurdo reichte es ihr. Win schickte das Foto auf ihren iPod. Schau mal, perfekt, schick’s noch mal, dann müsste es eigentlich klappen; niemand rückt Informationen raus, wenn er nicht sicher ist, wofür sie gebraucht werden; die spanischen Kollegen sind einfach nur vorsichtig, ist ganz normal. Du hast recht, warum sollten sie mir geben, was ich brauche? Er wählte eine Nummer, aber es ging niemand ran.
31
Die Villa der Valdés lag still da. Nur wenige Menschen wussten, dass dort die Totenwache für einen der mächtigsten Drogenbosse abgehalten wurde. Kurz nach Mittag war als Letzter der Chef aus Ciudad Juárez eingetroffen. Er war in einem gepanzerten Wagen angereist, weil Samantha von Hubschraubern im Garten oder in der Nähe der Villa nichts hatte wissen wollen. Besser, wir wecken keine Neugier, sonst werden die Leute noch unruhig.
Einer der wenigen, die etwas argwöhnten, war Daniel Quiroz, der mehrmals an der Villa vorbeigefahren war, ohne sich dem Eingangstor zu nähern. Sein Instinkt sagte ihm, dass er dranbleiben sollte, trotz der Warnung vieler Kollegen, darunter die des lokalen Fernsehsenders von Mexiko-Stadt, die sich zwei Stunden vor dem Anwesen herumgetrieben hatten. Als er den Hummer des Chefs von Ciudad Juárez eintreffen sah, entschloss er sich zu handeln. Quiroz von Wächter der Nacht , stotterte er dem Killer entgegen, der das Autofenster runterließ. Hören Sie auf, vor der Villa hin und her zu fahren, mein Freund, wenn ich Sie noch mal sehe, puste ich Sie um. Dann machte er das Fenster wieder zu. Den Journalisten befiel ein Gefühl von Ohnmacht, dann von Angst, und er verzog sich lieber. Er rief Mendieta an, aber der ging nicht ran. Scheißfreunde, die ich da habe.
Drinnen ging alles ruhig seinen Gang. Samantha Valdés und ihre Mutter Minerva nahmen die Beileidsbekundungen entgegen. Der offene Sarg stand in der Mitte des Raumes. Auf zusätzlichen Stühlen und den Sofassaßen Gäste und unterhielten sich leise, tranken und aßen Häppchen. Der Sarg ist aus Silber, eine Spezialanfertigung aus Taxco, außerdem trägt er Schmuck im Wert von fünf Millionen Dollar am Leib, ich habe ihn schon mal in diesem Anzug gesehen, als er nach Ojinaga kam, ganz schön abgebrüht, Samantha, oder?, wär’s dir anders lieber? Um ein Uhr wurden an im Garten verteilten Tischen Suppen serviert: Menudo und Pozole. Auch an Whisky, Bier und Mineralwasser fehlte es nicht.
Perfekt geschminkt und mit seinem prachtvollen Schmuck am Leib verabschiedete sich Marcelo Valdés würdevoll von dieser Welt. Um vier Uhr hielt ein alter Pfarrer aus Badiraguato die Totenmesse an einem tragbaren Altar aus dem Besitz der Valdés, und um fünf brach der Tross in Richtung Friedhof Jardines del Humaya auf. Ein Schwall von Luxuskarossen und Pick-ups mit getönten Scheiben. Mendieta, der gerade aus dem Hotel San Luis kam, wohin er Win begleitet hatte, krampfte sich der Magen zusammen angesichts dieser Zurschaustellung von Macht.
Der Reporter war untergetaucht.
Um siebzehn Uhr achtunddreißig betraten sie das Pantheon. Unter den Trauergästen befanden sich neben den Chefs des Pazifischen Kartells auch zwei Generäle der Präsidentengarde, ein hoher Offizier der Marine und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft. In Zivil gekleidet, erwiesen sie dem Capo diskret die letzte Ehre. Samantha beobachtete alles mit Argusaugen und dachte, dass jemand mit einer einzigen Bombe das ganze Kartell auslöschen könnte. Sie hatte ein komisches Gefühl im Bauch. Eine Folkloreband spielte auf.
Die Gruft der Valdés war acht mal acht Meter groß, inHellblau gestrichen und hatte eine Glastür mit dem Bildnis Jesu Christi im Basrelief, Säulen aus Marmor und eine golden gekachelte Kuppel. Es war die bei weitem höchste und größte Gruft. Zwei Hubschrauber kreisten über dem Friedhof.
Der Sarg wurde noch einmal geöffnet, damit die Trauergäste endgültig Abschied nehmen konnten. Samantha legte die Arme um ihre Mutter, der Tränen über die Wangen liefen. Dann wurde der Sarg in die Nische gesenkt und mit Rosen bedeckt. Die unzähligen Blumenarrangements wurden an den Wänden gestapelt.
Ein Abend in Sepia. Feucht.
Anschließend fuhren alle zur Villa zurück. Die
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