Das Pazifische Kartell: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
achtzehn Uhr dreiundvierzig. Was zum Teufel machte er hier, wenn er genauso gut in aller Ruhe zu Hause Kaffee trinken, fernsehen und mit seiner Frau plaudern konnte? Einen Gefallen erweisen. Na, mein guter Foreman, das Schwuchteldasein überwunden? Ist doch keine Grippe, Señor, wie geht’s Ihnen? So hatte ihn der Chefunterhändler des Tijuana-Kartells am gestrigen Nachmittag begrüßt. Einige Stunden später hatte ihn dann ein Cousin des Chefs von Ciudad Juárez angerufen, dann einer vom Sonora-Kartell und heute Morgen der oberste Bodyguard des Capos von Reinosa. Die Chefs wollten sich treffen und brauchten sein Haus in Altata. Die Versammlung würde heute stattfinden, gegen Abend. Vorher würden sich jeweils zwei Vertreter der Kartelle einfinden, um die Umgebung abzusuchen. Das Haus stand am Ufer eines Mangrovensumpfs, den Castelo voller Umweltbewusstsein pflegte: immer wenn er betrunken war, pinkelte er hinein, um die Ameisen fernzuhalten. In der anderen Richtung war die Bucht, die stets friedlich dalag, außer in der Wirbelsturmsaison, und weitere zweihundert Meter entfernt das weiße Landhaus der Nachbarn und die Restaurants.
Foreman hatte schon für alle drei Chefs Aufträge erledigt und konnte nicht ablehnen. Sollte er jemals seine Freunde hängenlassen, wäre das der Anfang vom Ende für ihn, das hatte man ihm mehr als deutlich gemacht. Wozu taugt einer, auf den kein Verlass ist?
Die Männer, die um die Mittagszeit eintrafen, verlorennicht viele Worte. Sie überprüften die Zimmer, das Dach, die Wassertanks der Bäder, die Spülkästen. Ihm fiel auf, dass der Vertreter aus Sonora das Kommando innehatte. Danach luden sie die Verpflegung aus: eine Kiste mit fünfundzwanzig Jahre gelagertem Chivas, mehrere Lagen Garnelen, Fleisch, Chorizos, Wurstpakete, Gewürze, gallonenweise Mineralwasser und zwanzig Kisten Bier. Ich lasse euch jetzt allein, sagte er mit einem Lächeln, fühlt euch wie zu Hause, hier ist der Haustürschlüssel. Sie gehen nirgendwo hin, Foreman, wir haben unsere Anweisungen, warnte der Stellvertreter des Capos von Juárez. Sie können schlafen, Fernsehen gucken, was immer Sie wollen, aber Sie bleiben hier. Sie trauen mir nicht, die Wichser, dachte er. Kann ich irgendwas tun? Sie könnten das Abendessen kochen. Wenn unsere Leute ankommen, werden sie einen Bärenhunger haben; mein Chef will garantiert Ceviche mit Garnelen. Ist gut, Kumpel, sagte der Vertreter aus Tijuana, hör auf, den Blödmann zu spielen, lass unseren Freund nur machen, koch erst was für uns und dann was für die Chefs. Meiner mag am liebsten Garnelen à la ranchera, mit viel Chili, meldete sich der aus Reinosa zu Wort. Der aus Sonora sagte, sein Chef stehe mehr auf Fleisch. Foreman lächelte, trank von seinem Liter Kaffee und ging in die Küche. Er wusste nur zu gut, dass es sich um einen Befehl handelte: Scheißwichser, er legte den weißen Panamahut auf den Tisch und band sich eine Schürze um. Seine Glatze glänzte.
Um neunzehn Uhr fünfunddreißig ertönten Motorengeräusche. Ein halbes Dutzend Pick-ups kam angefahren. Sechs AK-47 nahmen sie ins Visier. Auf den Ladeflächen saßen zwölf Gangster, die ihre Automatikgewehre und einen Granatwerfer in Stellung brachten. Schauen Sienach, wer es ist, befahl der aus Sonora. Castelo durchquerte den kleinen Garten bis zum Gattertor, das von einer blühenden Bougainvillea umrankt war. Dort hatten die Autos angehalten. Foreman, mach das verdammte Tor auf, rief der Chef des Tijuana-Kartells, der an der Spitze des Trosses gefahren war. Danke, dass du uns dein Häuschen zur Verfügung stellst, wir werden dir auch keine größeren Umstände machen. Wenn Sie nicht essen, was ich gekocht habe, brauchen Sie mich nicht wieder einzuladen. Wir haben einen Mordshunger, schaltete sich der aus Juárez ein, du hast nicht zufällig ein paar Garnelen in der Pfanne? Lassen Sie ihn probieren, er teilt nicht gern. Castelo lief neben dem Pick-up her. Bei den Garnelen bin ich mit dabei, sagte der aus Reinosa, der in der Doppelkabine hinten saß, wer nicht will, der hat schon, und Sie, Quintana? Ich glaube, dass wir hier was Anständiges zu essen kriegen werden, meinte Eloy und gab Foreman die Hand, und du, Dioni, dir reicht Standardküche, oder? Ich esse, was auf den Tisch kommt. Dann mal ran an den Speck, der aus Reinosa hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Quintana befahl seinem Stellvertreter: Sieh zu, dass du die Männer gut verteilst, und bring ihnen was zu trinken. Zu Befehl, er
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