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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lowery
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und ganz lila. Dennoch sah sie hübsch aus.
    Ihr Kopf verschwand wieder im Haus. »Ist dein Handy kaputt?«, fragte sie Ste. »Ich kann dich zurzeit überhaupt nicht erreichen.«
    »Baby, die Wege des Stevenators sind unergründlich«, erwiderte er und schloss das Fenster, so dass ich nichts mehr hören konnte.
    Da war ich also, allein vor dem Elternhaus des Mädchens, das ich am meisten bewunderte, und stand Schmiere, damit der Mensch, den ich am wenigsten ausstehen konnte, seine Zeit mit ihr verbringen konnte und mich nicht verprügeln würde. Ich hatte einen Schuhabdruck, Größe  44 , auf dem Kopf, und es begann gerade zu regnen. Das war großartig. Einfach großartig.
    Warum passiert alles Schlimme immer nur mir?
    Auf dem Weg war es stockdunkel. Ich hatte keine Lust, dort zu stehen, doch Ste hatte gesagt, ich solle mich im Schatten verstecken und unsichtbar bleiben. Die Leiter stand noch, knapp innerhalb des Gartens. Außer dem Flattern von Daves Englandflagge, dem Tröpfeln des Nieselregens und den winzigen Steinchen vom Weg, die ich durch die Hände rieseln ließ, um die Zeit totzuschlagen, war kaum etwas zu hören.
    Ich dachte gerade, dass ich mich noch nie so schlecht gefühlt hatte, als ich plötzlich hörte, wie sich die Hintertür öffnete.
    Mein ganzer Körper zuckte zusammen wie bei einem Elektroschock. Ganz langsam spähte ich um die Ecke. Dave King ging mit einer leeren Weinflasche durch den Garten. Er blieb vor den rollbaren Mülltonnen stehen, prüfte ein paar Mal das Gewicht der Flasche und schwang sie dann wie verrückt um den Kopf, als wäre sie eine Waffe. Zum Glück schien er die Leiter nicht gesehen zu haben.
    »So, immer drauf«, knurrte er einem imaginären Gegner zu. »Ach, du hältst dich wohl für knallhart, na, wie wär’s dann DAMIT ?«
    Ich schluckte vor Angst, während er einen Satz nach vorn machte, die Flasche vorschnellen ließ und sie seinem unsichtbaren Feind auf den Kopf schlug. »Wie gefällt dir das, hä? Reicht’s dir immer noch nicht?«
    »Ach, Dave«, rief eine Stimme, die nach Mrs. King klang. »Wirf die verdammte Flasche endlich in die Mülltonne. Wir müssen mit der Besprechung zum Ende kommen.«
    Besprechung
?
    Wie meinte sie das? Ich dachte, Mum und Dad wollten Lucys Eltern bloß besuchen und mit ihnen den Abend verbringen. Warum sollten sie eine Besprechung haben?
    Ich musste rausfinden, worum es bei dieser Sache ging.
    Also wartete ich, bis Dave die Flasche in die Mülltonne geworfen hatte und ins Haus zurückgekehrt war. [48] Dann schlich ich auf Zehenspitzen um die Ecke und spähte hinten zum Fenster hinein. Erst tat mir das Licht in den Augen weh, aber als ich ein paar Mal geblinzelt hatte, konnte ich erkennen, was im Haus vor sich ging. Mitten im Zimmer befand sich eine Flipchart, auf dem ganz oben » OPERATION FEIGENBLATT « stand. Darunter hatte jemand eine Art Karte gezeichnet, mit lauter Pfeilen drumrum, die alle in die Mitte zeigten. Dave kam ins Zimmer, nahm sich einen Stift und deutete nacheinander auf alle Pfeile, als würde er einen Militäreinsatz erläutern.
    Ich ließ den Blick weiterwandern. Meine Eltern saßen auf dem Sofa. In dem Zimmer drängten sich noch mindestens zwanzig Personen, die auf dem Fußboden saßen oder an der Wand standen. Mum verfolgte konzentriert jedes Wort, das Dave sagte. Dad schien schreckliche Angst zu haben. Mrs. King betrachtete Dave voller Stolz. Neben meinen Eltern saß noch eine andere Person auf dem Sofa, die ich erst richtig erkennen konnte, als sie mir den Kopf zuwandte. Sie hatte einen unverkennbaren Schnurrbart und schielte.
    »Miss Skinner«, flüsterte ich. Was wollte die denn hier? Und was um alles in der Welt war »Operation Feigenblatt«?
    Mir blieb nicht viel Zeit, darüber nachzudenken, denn auf einmal warf Dave den Kopf zur Seite und zog die Brauen hoch, als würde er auf ein Geräusch horchen. Ich sah, wie er langsam zur Tür schlich und etwas nach oben rief.
    Mein Blick schnellte zu Lucys Fenster hinauf und dann wieder ins Wohnzimmer.
    Plötzlich schien die Zeit stillzustehen. Ich hatte nur zwei Möglichkeiten:
    Ste zu rufen und ihm bei der Flucht zu helfen.
Wegzulaufen.
    Die zweite Möglichkeit fand ich am verlockendsten. Ste würde von Dave King eine Tracht Prügel beziehen und dürfte sich nie mehr mit Lucy treffen. Mum würde herausfinden, wie Ste wirklich war, und mich nicht mehr ganz so schlecht behandeln. Und Operation Feigenblatt, was auch immer sich dahinter verbarg, wäre auf der Stelle

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