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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lowery
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Schwimmbad den Höhepunkt erreichte.
    Doch dann geschah etwas Seltsames.
    Bei ihrem zweiten Zug nach der Wende warf sie auf beiden Seiten einen Blick nach hinten. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Und außerdem weiß sogar ich, dass es keine gute Idee ist, weil man dann Zeit verliert. Es verschaffte den anderen die winzige Chance, sie wieder einzuholen. Bei ihrem nächsten Zug tat sie dasselbe. Was dachte sie sich bloß dabei? Das war schwachsinnig. [68]
    Ich blickte kurz zu Dave hinüber. Seine Augen standen hervor wie bei einem Chamäleon, und er brüllte so laut, dass ich dachte, die Ader an seinem Hals könnte platzen.
    Die anderen vier Schwimmerinnen lagen jetzt gleichauf mit Lucy. Plötzlich änderte sich ihr Schwimmstil. Bei ihrem nächsten Zug schwang sie die Arme träge nach vorn, als wolle sie aufgeben. Und beim übernächsten hob sie die Arme nicht mal mehr aus dem Wasser. Inzwischen lag sie drei Meter hinter den anderen und strampelte, den Kopf unter Wasser und die Arme seitlich am Körper, lustlos mit den Beinen.
    Sie
wollte
verlieren.
    Am Ende des Beckens streckte Brutus, der Muskelprotz, die Faust zum Zeichen des Sieges in die Luft. Die beiden französischen Mädchen hatten fast zeitgleich angeschlagen. Weit hinter ihnen trieb Lucy als Letzte dem Ziel entgegen.
    Dave Kings Mund war zu einem riesigen O geformt. Als Lucy sich aus dem Wasser stemmte, ließ er die Arme sinken und sein Klemmbrett zu Boden fallen. Ohne ihn anzusehen, rannte sie am Becken entlang in den Umkleideraum. Sie hielt die Hand vor die Augen und weinte.
    Die Eltern auf der Galerie schnatterten so laut, dass der Sprecher seine Worte dreimal wiederholen musste: » 50  m Freistil der männlichen Jugend. Die Schwimmer bitte zu ihren Startblöcken.«
    Ich schreckte hoch.
    Ich war völlig durcheinander, als ich mich zu den Startblöcken begab. Wie sollte ich jetzt noch schwimmen können? Wie konnte das Schwimmfest immer noch weitergehen? Die beste Schwimmerin des Vereins hatte gerade in einem Wettkampf aufgegeben und war unter Tränen davongestürmt. Das war der schlimmste Augenblick in der Vereinsgeschichte, vielleicht sogar in der Geschichte des Schwimmsports.
    Mein Wettkampf, zu dem ich nicht besonders viel beitrug
    Als ich zu den Startblöcken kam, sah ich mir die anderen Jungen an. Es waren ein Eliteschwimmer unseres Vereins und zwei hochgewachsene französische Jungen, die beide Koteletten hatten und aussahen, als wären sie schon sechsundzwanzig. Ich schluckte. Wieder mal Letzter. Wie trostlos und vorhersehbar.
    Der Sprecher nannte die Namen der anderen drei Schwimmer, und alle erhielten Beifall. Dann sagte er meinen Namen an. Wie bereits erwähnt, habe ich es nicht gern, wenn man mich ansieht. Folglich behielt ich vor so vielen Zuschauern meinen Bademantel lieber bis zum allerletzten Augenblick an.
    Ich winkte zur Galerie. [69] Dann holte ich tief Luft und zog den Bademantel aus.
    Haben Sie schon mal gehört, wie es klingt, wenn ein Staubsauger eingeschaltet wird? Sobald man den Einschaltknopf drückt, beginnt er mit einem zischenden Geräusch die Luft anzusaugen.
    Das erwähne ich nur, weil es genau dasselbe Geräusch gab, als ich meinen Bademantel auszog: zweihundert Leute, die gleichzeitig eine Masse Luft einsogen. Ich drehte mich um und blickte zur Galerie hinauf. Einige der Mütter pressten vor Entsetzen die Hand vor den Mund. Andere hielten den kleinen Kindern, die übers Geländer spähten, die Augen zu. Ein paar Väter unterdrückten ein Kichern. Mitten in der Menge entdeckte ich Mum. Sie durchbohrte mich mit ihrem Blick.
    Was war hier los?
    Die Schwimmer neben dem Becken brüllten vor Lachen. »Am Beckenrand wird dringend ein Handtuch benötigt. Ich wiederhole: Am Beckenrand wird dringend ein Handtuch benötigt«, brabbelte der Sprecher ins Mikrofon.
    Der Bürgermeister der französischen Stadt war knallrot im Gesicht und sah aus, als stünde er kurz vor einem Herzinfarkt. Er spuckte auf den Boden und brüllte: »Schwein, widerlicher englischer Schweinehund. Warum beleidigst du Frankreich, du
merde

    Ich wiederhole: Was war hier los?
    » AUA !«
    Eine kräftige Hand riss mich an der Schulter vom Startblock und stieß mich am Beckenrand entlang. Ich dachte sofort, dass es Dave King war.
    »Du bist abartig, Martha, abartig. Verschwinde von hier und KOMM NIE WIEDER !« [70]
    Verlegen, verwirrt und voller Angst lief ich die glitschigen Fliesen entlang und wäre fast ausgerutscht, als ich um die Ecke bog und im

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