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Das peinlichste Jahr meines Lebens

Das peinlichste Jahr meines Lebens

Titel: Das peinlichste Jahr meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lowery
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Umkleideraum verschwand. Dort hallten die Buhrufe der Eltern und das unbändige Gelächter und Gejohle der Schwimmer nach. Der Fotograf von der Lokalzeitung hatte mich geknipst, als ich an ihm vorbeirannte.
    Im Umkleideraum blickte ich in den Spiegel. Was war los mit mir? Was war so anstößig, dass alle derartig reagierten? Da war nichts. Absolut nichts. Und dann sah ich es: ein winziger schwarzer Fleck auf meiner Schulter. Er schien zu etwas Größerem zu gehören. Das war seltsam. Mit pochendem Herz wandte ich mich langsam um und verdrehte den Hals, um meinen Rücken sehen zu können.
    Stes Rache
    Okay, wie soll ich das erklären? Auf meinem Rücken befand sich ein Bild. Ein Bild, das vom Bund meiner Shorts bis zu meinem Nacken reichte. Ein Bild, das mit wasserfestem Stift gezeichnet worden war. Ein äußerst detailliertes Bild, das mit Sicherheit mein Bruder vorige Nacht gezeichnet hatte, als ich schlief.
    Das Bild eines männlichen
Ihr-wisst-schon-was
.
    Ich atmete schwer. Ich hatte vor zweihundert Zuschauern, zwei Schwimmvereinen und dem Bürgermeister einer französischen Kleinstadt ein obszönes Tattoo enthüllt.
    Das war nicht nur nicht gut. Das war sehr, sehr schlimm.
    Mum wird wütend
    Als ich die Eingangshalle des Freizeitzentrums betrat, packte mich Mum am Kragen.
    »Na, das war ja einfach perfekt«, höhnte sie. »Da hast du unsere Familie mal wieder blamiert.«
    »Wie meinst du das?«, fragte ich und bemühte mich, leise zu sprechen, da eine Gruppe von Schwimmern mitzuhören versuchte. »Warum sollte ich so ein Ding auf meinen Körper zeichnen?«
    Mum schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Langsam glaube ich, dass du vielleicht eine Therapie brauchst.«
    Ich ergriff ihre Hand. »Mum, das Bild ist auf meinem Rücken. Wie soll ich es denn gezeichnet haben? Ich bin doch nicht aus Gummi.«
    Mum spitzte den Mund. »Tja, wahrscheinlich hat dir dein Freund Paul Beary geholfen. Er scheint genauso von nackten Körpern besessen zu sein wie du.«
    »Was redest du denn da? Das war eindeutig Ste. Der Goldjunge. Das hat er aus Rache getan, weil ich Lucy erzählt habe, dass er sie betrogen hat.«
    »Unsinn«, sagte sie und warf den Kopf zurück, »so etwas würde Ste niemals tun. Er ist ein netter Junge. Es ist ziemlich mies, ihn da reinzuziehen. Du hast mal wieder deine Eifersucht unter Beweis gestellt, das arme Mädchen verstört und mit deinen schmutzigen Obsessionen Schande über uns gebracht. Ich habe sogar gehört, wie der französische Bürgermeister davon sprach, nach diesem Vorfall alle Beziehungen zu Preston abzubrechen. Du hast eine internationale Krise ausgelöst. Und jetzt steig in den Wagen, bevor du noch andere Länder beleidigst.«
    Schlechte Werbung
    Am Montagnachmittag widmete mir die
Evening News
ihre Titelseite, und die Schlagzeile lautete: »Französische Stange – durchgedrehter Schwimmer verhöhnt französischen Bürgermeister mit obszönem Tattoo«. Auf dem dazugehörigen Foto stand ich auf dem Startblock, und im Hintergrund schrie der französische Bürgermeister mich an.
    In dem Artikel hieß es, ich komme »aus einer Familie von Exhibitionisten, zu der auch eine der berüchtigten Nudistinnen gehört, die letzte Woche auf dem Flag Market Aufsehen erregte«. Es gab keine Zitate von mir, denn als die Reporter am Samstagabend zu uns kamen, teilte Ste ihnen mit, ich sei in Ungnade gefallen und nach Tadschikistan geschickt worden, wo ich als Ziegenhirte arbeiten müsse, bis ich meine Lektion gelernt hätte oder in meinem Zelt erfroren sei. [71]
    Der Schuldirektor hatte auch schon am Sonntag angerufen und Mum erklärt, dass es besser wäre, ich bliebe diese Woche zu Hause. Offenbar würden die Mitglieder des französischen Schwimmvereins im Rahmen des Kulturaustauschs ein paar Tage zur Schule gehen, und nachdem er sich am Samstagabend eines wütenden Anrufs des Schwimmtrainers hätte erwehren müssen, könne er nicht für meine Sicherheit garantieren. Außerdem sollte unsere Gemeinde nicht den Eindruck bekommen, dass die Schule vulgäre Tattoos stillschweigend dulde.
    Kurz gesagt, ich wurde vom Unterricht ausgeschlossen und war jetzt in Preston verrufen. Im örtlichen Radiosender wurde über mich diskutiert. [72] Der Bürgermeister von Preston entschuldigte sich unterwürfig bei seinem französischen Amtskollegen, dessen Sprecher sagte: »Monsieur Barthez hat ein schwaches Herz. Dieser Schock hätte für ihn katastrophal sein können.«
    Am Montag gegen vier Uhr kam Paul Beary vorbei und

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